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„Das Publikum ist die Richtschnur“

Am 3. Mai 1953 ging die Deutsche Welle auf Sendung. Wo steht der deutsche Auslandssender 60 Jahre später? Was ist geblieben, was hat sich gewandelt? Fragen an Erik Bettermann, von 2001 bis Oktober 2013 Intendant.

Erik Bettermann, Intendant der Deutschn Welle
Erik BettermannBild: DW

Was hat Ihre zwölfjährige Amtszeit, was hat die DW seit der Millenniumswende am stärksten geprägt?

Erik Bettermann: Politisch war das zweifellos der 11. September 2001 mit seinen weitreichenden Folgen. Wenige Tage vor meinem Amtsantritt hat sich mir bestätigt, welchen Wert die Deutsche Welle für unser Land hat, wie wichtig es ist, mit einer eigenen Stimme vernehmbar zu sein. Darüber hinaus war es sicher die rasante technische Entwicklung. Sie hat die weltweite Kommunikation revolutioniert. Das betrifft die Produktion und Verbreitung von Medienangeboten ebenso wie das Nutzerverhalten, das sich erheblich verändert hat.

Acht Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatte die DW den Auftrag, „zu entkrampfen“ und Deutschlands Weg zurück in die internationale Gemeinschaft zu begleiten. Was ist 60 Jahre nach dem Sendestart Aufgabe der DW?

Bettermann: Damals wie heute soll die DW unser Land und seine Werte vermitteln. Die DW soll „Deutschland als europäisch gewachsene Kulturnation und freiheitlich verfassten demokratischen Rechtsstaat verständlich machen“, so heißt es im DW-Gesetz von 2005. Es hat unseren Programmauftrag modernisiert und erweitert. Mit unseren vielsprachigen journalistischen Angeboten und der Akademie sind wir heute eine Plattform für Kulturdialog und geben deutschen und anderen Sichtweisen ein Forum. Wir verstehen uns deshalb auch als Stimme der Freiheit und der Menschenrechte. Darüber hinaus fördern wir die deutsche Sprache. Auch das gehört zu unserem Auftrag.

Journal Interview mit Erik Bettermann, Intendant Deutsche Welle

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Journal Interview mit Erik Bettermann, Intendant Deutsche Welle

Was heißt das für die journalistischen Angebote?

Bettermann: Wir wollen ein weltweites Publikum erreichen. Dazu bereiten wir Inhalte in 30 Sprachen journalistisch auf. Der gesetzliche Auftrag und das DW-Leitbild geben den Rahmen für unsere Redaktionen vor. Richtschnur für unsere Arbeit sind immer auch die Erwartungen der Zuschauer, Hörer und Internetnutzer. Sie müssen wir in den unterschiedlichen Weltregionen und Sprachen so differenziert wie möglich ansprechen. Dies ist angesichts der technischen Entwicklung und des sich ändernden Nutzungsverhaltens ein ständiger Anpassungsprozess. Das ist der Grund, warum wir viele Jahre auf Kurzwelle gesetzt, Satellitenfernsehen ausgebaut, früh das Internet genutzt haben und heute als Multimediaunternehmen arbeiten. Und es ist der Grund, warum wir unsere Inhalte so weit wie möglich regionalisieren. Seit einem Jahr verbreiten wir auf sechs regionalisierten TV-Sendeschienen Informationen auf Deutsch, Englisch, Spanisch und Arabisch. In weiteren Sprachen produzieren wir TV-Magazine für Partnerstationen in Asien, Südosteuropa und Brasilien. Und zu unseren Online-Aktivitäten gehören heute selbstverständlich Soziale Medien und mobile Angebote.

Gesetzlicher Auftrag, staatliche Finanzierung – und doch seit 60 Jahren journalistisch unabhängig. Wie konnte sich die DW in diesem Spannungsfeld als glaubwürdige Stimme etablieren?

Bettermann: Wir haben als öffentlich-rechtlicher, steuerfinanzierter Sender für das Ausland einen entscheidenden Vorteil auf den internationalen Informationsmärkten: Wir genießen wie die Inlandssender die Freiheiten und den Schutz aus Artikel 5 des Grundgesetzes. Deshalb ergibt sich kein Widerspruch zwischen gesetzlichem Auftrag und unserer Finanzierung aus Steuermitteln einerseits, unserer journalistischen Unabhängigkeit andererseits. Durch guten Journalismus, durch eine stets ausgewogene Darstellung unseres Landes, hat sich die DW in den vergangenen Jahrzehnten ihren Ruf als glaubwürdige, verlässliche Informationsquelle erarbeitet. Dazu trägt auch bei, dass wir immer wieder denen eine Stimme geben, die in ihrem eigenen Land unterdrückt werden. Das galt in den 1970er-Jahren während der Obristen-Diktatur in Griechenland, das gilt heute beispielsweise für regimekritische Literaten und Künstler in China, für Aktivisten in Iran und arabischen Ländern. Die Menschen vertrauen uns. Das ist das höchste Gut für einen international agierenden Sender.

Ist das ein Grund, warum die Angebote der DW Akademie weltweit so stark nachgefragt werden?

Bettermann: Wir fördern seit bald 50 Jahren weltweit die Entwicklung freier, transparenter Mediensysteme. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist dabei unser wichtigster Partner. Gemeinsam stärken wir journalistische Qualität und Medienkompetenz in Entwicklungs- und Transformationsländern. So sind wir beispielsweise in Tunesien und Syrien aktiv, unterstützen die Öffnung in Myanmar und engagieren uns in langfristigen Projekten in Lateinamerika. Dabei geht es um mehr als um die Aus- und Fortbildung von Journalisten. Es geht auch darum, Medieninstitutionen Strategien für wirtschaftliches Überleben zu vermitteln, benachteiligten Bevölkerungsgruppen den Zugang zu Information zu verschaffen. Wiederholt haben wir vormals staatliche Sender auf ihrem Weg hin zu öffentlich-rechtlichen Strukturen unterstützt, aktuell unter anderem in der Republik Moldau. Die Nachfrage ist so groß, dass wir bei Weitem nicht alle Wünsche erfüllen können. Derzeit nehmen jedes Jahr rund 3.000 Medienschaffende an unseren Fortbildungsmaßnahmen teil. Wir setzen auf Präsenz vor Ort und langfristiges Engagement. Unser Masterstudiengang „International Media Studies“ bietet unseren Partnern zusätzliche Möglichkeiten zur Qualifizierung. Die DW Akademie ist die führende deutsche Organisation für internationale Medienentwicklung.

Die Deutsche Welle hat sich vom Kurzwellensender zum Multimediaunternehmen entwickelt – ein Gebot des Wandels?

Bettermann: Seit 1953 haben sich die Bedingungen für internationalen Rundfunk und globale Kommunikation dramatisch gewandelt. Ein Sender, der sich diesen Herausforderungen nicht kontinuierlich und flexibel stellt, verliert schnell den Anschluss. Wir haben sehr früh auf digitale Produktion und Ausstrahlung gesetzt. Wir waren als erste öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Deutschlands im Internet präsent. Wir waren Vorreiter bei der Umstellung auf multimediales Arbeiten. Wer heute bei uns ein Volontariat macht, ist auf allen Feldern fit: vor der Kamera, am Mikrofon und Online. Und die Sozialen Netze gehören in unseren 30 Sprachredaktionen längst zum journalistischen Alltag. Zur Modernisierung gehört natürlich auch, dass wir auf Dinge verzichten. So haben wir eine Reihe von Hörfunkprogrammen eingestellt, für die es kein Publikum mehr gibt. Der weitgehende Verzicht auf die Kurzwelle war Voraussetzung, Mittel für den erforderlichen Ausbau des Fernseh- und Internetangebots einsetzen zu können. Die Möglichkeiten, diesen Wandel aus eigener Kraft – ohne zusätzliche Mittel – voranzutreiben, sind allerdings ausgereizt. Seit Ende der 1990er-Jahre hat die DW mehr als ein Drittel ihres Etats eingebüßt.

Was wäre nach Ihren Vorstellungen das wichtigste Geschenk für die Deutsche Welle zum 60. Geburtstag?

Bettermann: Die Deutsche Welle hat von Beginn an eine bedeutende Funktion in den Außenbeziehungen unseres Landes wahrgenommen. Sie sichert die mediale Präsenz von Stimmen und Stimmungen aus Deutschland in der internationalen Öffentlichkeit. Das ist eine Aufgabe, die im vergangenen Jahrzehnt eher noch wichtiger geworden ist. Viele Staaten haben erhebliche Anstrengungen unternommen, um grenzüberschreitende Medienaktivitäten auf- oder auszubauen. Sie haben die Bedeutung internationaler Kommunikation für ihre politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Ambitionen erkannt. Der Wettbewerb um die Gunst der Weltöffentlichkeit ist wesentlich härter geworden. Ich wünsche mir hierzulande einen politisch-gesellschaftlichen Konsens, dass Deutschland hier nicht zurückfallen darf. Wir müssen mehr aus den Möglichkeiten machen, die unser Mediensystem für die mediale Außendarstellung unseres Landes bietet. Die große Vielfalt und ausgezeichnete Qualität, die wir an den Inlandsangeboten so schätzen, müssen wir auch für unsere Zielgruppen in New York und Singapur, Kairo und Buenos Aires nutzbar machen. Wir müssen dem Publikum das Beste aus Deutschland zeigen. Deshalb setze ich mich mit aller Kraft für eine stärkere Einbindung des deutschen Auslandsrundfunks in das deutsche Mediensystem ein. Es wäre ein schönes Geschenk, wenn wir die entsprechenden Verhandlungen im Jubiläumsjahr erfolgreich abschließen würden.