Mit der DW-App die Zensur umgehen
Welche Rolle spielt das Thema Internet Freedom im Umgang mit redaktionellen Themen innerhalb der DW?
Die DW leistet bei der Erkennung von Fake News und Desinformationen Aufklärungsarbeit. Die Gründe für die Verbreitung von Unwahrheiten im Netz sind vielseitig. Staaten wie Iran und China versuchen, Informationen gar nicht erst ins Land zu lassen. Die DW wird in Iran seit zehn Jahren geblockt.
Wir sehen es als unsere Aufgabe an, Menschen für das Thema zu sensibilisieren, zu erklären: Wer zensiert wo? Um dann Wege aufzuzeigen, Zensur mithilfe von Software zu umgehen. Es kommt häufig im Vorlauf von Wahlen zu temporären Einschränkungen des Internets, zuletzt in Tansania, aber auch bei Anti-Regierungsprotesten, etwa in Hongkong, Thailand oder Belarus. In diesen Fällen können wir proaktiv über mögliche bevorstehende Zensurmaßnahmen in unseren Programmen berichten.
Angesichts der zunehmenden Restriktionen im Bereich Internet Freedom: Welche Wege geht die DW, um Restriktionen zu umgehen und Menschen weiterhin mit Informationen versorgen zu können?
In unseren Zielregionen beschäftigen wir uns schon lange mit dem Thema Zensurumgehung. Großen Erfolg haben wir mit Psiphon. Ein Tool, das die DW aktuell auch den Menschen in Belarus und Thailand zugänglich macht. Wir kennen den Markt für Technologien, mit denen man die Zensur im Internet umgehen kann, gut und sind hervorragend vernetzt. Allerdings ist wichtig zu wissen, dass man solche Apps nicht einfach auf Messen „kaufen“ kann. Der Markt ist klein und zum Anbieter muss erst mal Vertrauen aufgebaut werden. Wir möchten nicht, dass unsere Nutzer dubiose VPN- (virtual private network) Tools nutzen, die zwar möglicherweise gut funktionieren, zugleich aber ihre eigenen Daten ausspähen.
Welche Maßnahmen ergreift die DW?
Um möglichst allen den Zugang zu DW-Inhalten zu ermöglichen, haben wir in diesem Jahr eine Zensurumgehung in unsere DW-App eingebaut. Per Knopfdruck funktioniert unsere App dann beispielsweise auch in Iran oder China. Auch was unser Webseitenangebot über das gegen Zensur robuste Tor-Netzwerk betrifft, konnten wir den Komfort verbessern.
Immer mehr Länder diskutieren Möglichkeiten eines eigenen Internet. Eine Sorge ist, dass im globalen Raum des Internet künftig Partikularstaaten entwickelt werden könnten. Was würde das für Informationsanbieter wie die DW bedeuten?
Diese Bestrebungen gibt es seit langem. Vorgemacht hat es China. Wer dort über das Internet Inhalte verbreiten möchte, benötigt eine Lizenz. Fehlt diese, dürfen die Webseiten nicht über die chinesischen Daten-Highways ausgeliefert werden. Inhalte, die im Land unerwünscht sind, werden rigoros geblockt.
China hat es geschafft, Substitute für beliebte internationale Angebote von Google, Amazon und Facebook zu schaffen. Staaten, die beabsichtigen, ihr Internet abzuschotten, fehlen diese Angebote und so stehen sie – im Gegensatz zu China – einer nicht erfüllbaren Nachfrage ihrer Bevölkerung gegenüber.
Für internationale Informationsanbieter wie die DW bedeutet das, dass wir direkt in unsere Zielregionen gehen. Wir müssen nah bei den nationalen Plattformen und den lokalen Niederlassungen internationaler Anbieter wie Google, Amazon, Facebook sein. Wenn wir in unseren Zielregionen produzieren und von dort unsere Inhalte ausliefern, haben wir gute Chancen, auch bei einer Neuordnung des World Wide Web unsere Zielgruppen zu erreichen.
Oliver Linow
ist seit 2012 für den Themenbereich Zensurumgehung bei der Deutschen Welle verantwortlich. Lag zu Beginn der Schwerpunkt dieser Aufgabe verstärkt im technischen Bereich, so hat sich mit zunehmender Bedeutung des Themas gezeigt, dass internationale Vernetzung und Wissensaustausch immer wichtiger werden. Seit sieben Jahren ist Oliver Linow Teil der DG7 Internet Freedom Working Group, in der Experten internationaler Sender wie der BBC, France Médias Monde und der USAGM zusammenkommen. Eines der jüngsten erfolgreichen Projekte der Gruppe war die Einführung der Tor Onion Services für BBC und DW.