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Medienvielfalt und „50 Prozent Pressefreiheit“

Solange Ayanone ist seit 20 Jahren Journalistin in Ruanda, aktuell beim DW-Partnersender „Isango Star“ tätig. Im DW-Interview spricht sie über die Entwicklung der Medien und des Journalismus seit dem Genozid 1994.

Solange Ayanone
Solange Ayanone, Journalistin in Kigali, RuandaBild: Solange Ayanone

DW: Journalist sein in Ruanda – was heißt das heute vor allem?

Solange Ayanone: Einerseits haben liberalere Mediengesetze private Radiosender und Zeitungen entstehen lassen. Ein Gesetz, das erst kürzlich in Kraft getreten ist, erleichtert Journalisten den Zugang zu Informationen. Andererseits ist die materielle Situation für Journalisten noch immer prekär. Die Bezahlung ist schlecht, viele haben keine Arbeitsverträge, sind somit auch nicht versichert. Zeitungshäuser verfügen nicht über geeignete Büros, haben kaum Personal. Radiosender sind zwar mehr oder weniger gut ausgerüstet, es gibt aber nur wenig Werbung im Programm, denn der Handel ist in Ruanda kaum entwickelt. Viele private Betreiber von Radiostationen haben keine ausreichenden Management-Kenntnisse, um den Mediensektor nachhaltig zu stärken.

Gibt es zusätzliche Hürden, als Journalistin zu arbeiten?

Frauen besetzen kaum verantwortungsvolle Posten in den Medien – es sind weniger als fünf Prozent. Führungspositionen seien Männern vorbehalten, so denken noch viele. Und die meisten Frauen mit Führungsqualitäten haben nicht genügend Selbstvertrauen. Im Radio ist eine Frau in der Regel als Moderatorin tätig oder macht Sendungen zu gesellschaftlichen Themen: Familie, Frauen, Kinder, Gesundheit. Politik und Wirtschaft sind Männerdomänen. Im Übrigen ist der Journalistenberuf für Frauen besonders stressig, denn sie sind bis heute traditionell die tragende Säule für Familie und Hausarbeit.

Wie steht es um die Pressefreiheit in Ruanda?

Ich denke, die Pressefreiheit ist in Ruanda zu 50 Prozent gegeben. Über die teilweise Liberalisierung durch die Gesetzgebung hinaus haben Journalisten entscheidend daran mitgewirkt, ein eigenständiges Organ zur Medienkontrolle zu schaffen: die Rwanda Media Commission (RMC). Allerdings behält sich der Staat vor, seinerseits die audiovisuellen Medien einschließlich Internet zu kontrollieren – durch die RURA, die Rwanda Utilities Regulations Authorithy. Das begrenzt wieder die Pressefreiheit, liegt aber in der Geschichte des Landes begründet: Zu groß ist nach wie vor die Angst, es könnten sich doch wieder Hass-Medien herausbilden. Ein weiterer Aspekt ist die Selbstzensur der Redaktionen. Immer wieder stellt man sich die Frage: Was passiert, wenn wir das senden? Was, wenn das falsch interpretiert wird? Die Besitzer von Medienhäusern erwarten, dass nichts Sensibles gesendet wird, was die Schließung des Senders zur Folge haben könnte.

Positiv kann man vermerken, dass nur noch wenige Journalisten im Gefängnis sind, dass inzwischen auch kritische Themen aufgegriffen werden, auch Missstände im öffentlichen wie privaten Sektor. Und das Gesetz, das den Zugang zu Informationen erleichtert, zwingt offizielle wie private Stellen, Auskunft zu geben – auch wenn es nicht immer einfach ist.

Die Mediensituation hat sich somit gewandelt seit dem Genozid vor 20 Jahren?

Über den gesetzlichen Rahmen und die Medienselbstkontrolle hinaus verzeichnen wir heute eine Medienvielfalt: 33 private Radiosender, 55 Zeitungen, drei private TV-Stationen und vier weitere im Aufbau, dazu rund zehn Informationsportale im Internet. Informationen im Web werden in wachsendem Maße geschätzt. Immer mehr Ruander haben Mobiltelefone, mit denen sie Radio hören können, was auch uns Radiomachern hilft.

Mit der Medienvielfalt wachsen auch die Chancen für Nachwuchsjournalisten. Vor 20 Jahren hatten wir ja nur Radio Ruanda und RTLM (Radio Télévision Libre des Milles Collines). Auch die Professionalisierung der Medien und Journalisten schreitet voran. Es gibt spezielle Schulen, die es vor 1994 hier nicht gab. Damals musste man nach Burundi oder Kinshasa. Und was die Sendungen und Inhalte im Privatradio betrifft, so ist man nah am Bürger: Per Telefon und SMS melden sie sich während der Sendungen, sprechen über lokale Missstände. Das hat schon in so manchem Fall zu einer raschen Lösung der Probleme geführt. Lokalradio ist zudem auch Bildungsradio.

Welche Bedeutung hat die Zusammenarbeit Ihres Radiosenders mit der Deutschen Welle?

Die DW ermöglicht uns vor allem, auch französischsprachige Informationen anzubieten – die wir nicht täglich produzieren können. Das ist sehr wichtig, denn Informationen auf Französisch werden immer seltener in den Programmen der Lokalradios. Außerdem nutzen unsere Führungskräfte Fortbildungsangebote der DW Akademie.

Solange Ayanone, Jahrgang 1971, arbeitet seit 1992 als Journalistin. Zehn Jahre war sie beim Nationalen Radio (Radio Ruanda), anschließend fünf Jahre beim Lokalradio Radio Izuba. Seit vier Jahren ist sie beim DW-Partnersender Isango Star. Dort moderiert sie unter anderem den interaktiven Presseclub.