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Studie: Wer zahlt die Corona-Schulden?

Das Institut der deutschen Wirtschaft warnt vor Steuererhöhungen. Stattdessen solle sich der Staat mehr Zeit bei der Rückzahlung lassen - und zusätzlich investieren.

Deutschland Symbolbild Sparschwein mit Bundesadler
Bild: picture-alliance/dpa

650 Milliarden Euro - so groß ist der Berg an neuen Schulden, den Bund, Länder und Kommunen in Deutschland wegen der Corona-Pandemie in den Jahren 2020-22 voraussichtlich anhäufen werden. Das geht aus einer Berechnung des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hervor. Im Jahr 2022 wäre Deutschland dann insgesamt mit 2,7 Billionen Euro verschuldet.

Gemessen an der Wirtschaftsleistung steigen die Schulden deutlich über die eigentlich in der Eurozone geltende Grenze von 60 Prozent. "Wir sehen einen Anstieg auf 70 Prozent, in diesem Jahr als temporäre Spitze sogar auf 75 Prozent", so IW-Direktor Michael Hüther am Dienstag (13.04.) bei der Präsentation der Studie "Zum Umgang mit den Corona-Schulden".

Gegen Steuererhöhungen

"Die Corona-Pandemie war und ist die größte wirtschafts- und gesellschaftspolitische Herausforderung der Nachkriegszeit", so Hüther. Noch nie seit 1945 habe der Staat so viel Geld in so kurzer Zeit für ein Ziel ausgegeben wie in der Corona-Pandemie. Nun stelle sich die Frage, wie sich die Kosten bewältigen lassen.

Der Forderung nach Steuererhöhungen erteilte Hüther eine deutliche Absage. "Eine historische Krise ist kein geeigneter Zeitpunkt, irgendwem tiefer in die Tasche zu greifen."

Auch eine "Reichensteuer" lehnt Hüther ab. "Egal wie tief Sie den oberen zehn oder auch zwanzig Prozent in die Tasche greifen - das, was sich da erbeuten lässt, wird nicht ausreichen, um die Kosten der Krise zu bezahlen." Jetzt müsse es darum gehen, das Wirtschaftswachstum zu fördern, und höhere Steuern seien dabei kontraproduktiv, so Hüther.

Zumal große Investitionen in Infrastruktur, Klimaschutz und Bildung anstehen. Angesichts der Herausforderungen durch Dekarbonisierung, Digitalisierung, steigender Militärausgaben und Alterung der Gesellschaft sprach Hüther von einem "Modernisierungsjahrzehnt" in den Jahren zwischen 2022 und 2032.

Ähnlichkeiten zu den Grünen

Um Investitionen zu stemmen, hatte das Institut bereits die Einrichtung eines sogenannten Deutschlandfonds vorgeschlagen, der "zukunftsentscheidende Investitionen" über einen Zeitraum von zehn Jahren mit insgesamt 450 Milliarden Euro finanziert.

Professor Michael Hüther
IW-Direktor Michael Hüther Bild: IW

Auch die Partei Die Grünen fordert ein staatliches Investitionsprogramm, hier in Höhe von 500 Milliarden Euro. "Da gibt es schon eine gewissen Ähnlichkeit", sagte Hüther, dessen Positionen sich nicht oft mit denen der Grünen decken. "Denn es gibt den Konsens, dass wir ein Problem mit den Investitionen haben."

Um sich mehr Freiraum zu bewahren, solle sich der Staat deshalb mehr Zeit bei der Rückzahlung der Schulden lassen. Derzeit plane der Bund, alle Corona-Schulden innerhalb von 20 Jahren abzutragen. Dafür müssten jährlich 24 Milliarden Euro an anderer Stelle eingespart werden. Das sei "sehr sportlich", führe allerdings zu "unnötigen gesamtwirtschaftlichen Problemen", so Hüther.

Mehr Zeit für die Tilgung

"Statt wie vom Bund geplant in 20 Jahren sollten die Schulden in 40 Jahren zurückbezahlt werden", heißt es in der Studie. Dann müsste Deutschland nur zwölf Milliarden Euro jährlich zurückzahlen und könnte die Corona-Schulden vollständig aus der jährlichen strukturellen Neuverschuldung decken.

Als "strukturelle Neuverschuldung" gelten die neuen Schulden des Staates, die unabhängig von der Konjunkturlage aufgenommen werden. Die sogenannte Schuldenbremse, die ab 2023 wieder gilt, beschränkt diese Neuverschuldung auf 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das IW empfiehlt eine Erhöhung dieser Grenze auf 0,5 Prozent.

Im Idealfall würde Deutschland einfach aus den Corona-Schulden herauswachsen - ähnlich wie schon nach der Finanzkrise im vergangenen Jahrzehnt, so das IW. Damals war es der Bundesregierung gelungen, die enormen Schulden rasch wieder abzubauen und 2019 auch wieder die für Euroländer geltenden Maastricht-Kriterien einzuhalten.

Zur raschen Tilgung haben damals aber nicht nur die niedrigen Zinsen beigetragen, sondern auch eine starke Ausweitung der Beschäftigung. Die aber sei nicht wiederholbar, "das verbietet schon allein der demografische Wandel", so das IW.

bea/hb (dpa, IW, DW)