Ägypten: Großer Streit um kleine Pyramide
1. Februar 2024Die Menkaure-Pyramide ist mit 65 Metern Höhe die kleinste der drei Pyramiden auf dem Plateau von Gizeh. Neben ihr ragen die Sphinx und die größere Pyramide von Cheops und Chephren (146 m) in den ägyptischen Himmel, die zu den Touristenmagneten zählen. Pharao Mykerinos (Menkaure ist sein altgriechischer Name, Anm. d. Redaktion), ließ sein Grab etwa zwischen 2540 und 2520 v. Chr. errichten. Die staatliche Altertümerverwaltung hält sie heute für renovierungsbedürftig.
Ägyptische und japanische Archäologen haben bereits damit begonnen, die äußere Granitverkleidung an den vier Seiten der Menkaure-Pyramide zu rekonstruieren. Mostafa Waziri, Chef der ägyptischen Altertümerverwaltung, spricht von einem "Jahrhundertprojekt".
Social Media Proteste folgten auf Video
In einem am Freitag auf Facebook veröffentlichten Video zeigte er, wie Arbeiter Granitblöcke, die seit einem Erdbeben rund um die Pyramide verstreut lagen, auf den Sockel der Pyramide setzen. Ursprünglich bestand die Pyramide von Menkaure aus 16 Granitblöcken.
Die Arbeiten sollen drei Jahre dauern, das Ergebnis werde "Ägyptens Geschenk an die Welt des 21. Jahrhunderts" sein, so Waziri. Sein Post in den sozialen Medien stieß jedoch auf wenig Gegenliebe. Eine Expertin bezeichnete das Projekt gar als "absurd". Monica Hanna, eine der führenden Ägyptologinnen des Landes, sagte der Nachrichtenagentur AFP: "Fehlt nur noch, die Pyramide von Menkaure mit Kacheln zu verkleiden!" Ein solcher Umgang mit dem ägyptischen Kulturerbe müsse aufhören, so Hanna in einer Erklärung auf Facebook. "Alle internationalen Grundsätze für Renovierungen verbieten solche Eingriffe". Es existierten keine Beweise dafür, dass die Granitblöcke auf der Pyramide positioniert waren. "Daher ist jeder Versuch, die Blöcke rund um die Pyramide zu verkleiden, ein eklatanter Eingriff in die ursprüngliche Arbeit der Erbauer."
Dutzende von Nutzern schrieben wütende Kommentare unter das Video. Einige reagierten mit Sarkasmus: "Wann wird das Projekt zur Begradigung des Turms von Pisa geplant?", fragte einer ironisch. Tatsächlich gab es in der Vergangenheit immer wieder Versuche, den schiefen Turm von Pisa zu richten oder zumindest zu stabilisieren. Heute hat die Touristenattraktion eine Neigung von vier Grad, gilt aber vorerst als gerettet.
Debatte um Schutz des kulturellen Erbes
Auch für Ägypten ist der Tourismus sehr wichtig. Pyramiden gelten als Touristenmagnet. Nach den neuesten Zahlen der Weltbank, die vor der Corona-Pandemie erhoben wurden, kamen 2019 rund 13 Millionen Touristen ins Land und 2,5 Millionen Menschen - fast ein Zehntel aller Ägypter - arbeiteten in der Branche. Damit ist der Tourismus eine der wichtigsten Einnahmequellen des Landes am Nil und beschert Ägypten unverzichtbare Deviseneinnahmen.
Schon deshalb ist die Erhaltung des kulturellen Erbes ein wichtiges Thema. Oft entzünden sich daran hitzige Debatten, wie das Beispiel der Altstadt von Kairo zeigt. Verfall und Zerstörung der historischen Viertel lösen immer wieder Proteste der Zivilgesellschaft aus, wie das ägyptische Online-Portal "Papyrus" berichtet. Die Publikation ist einst aus der deutsch-ägyptischen Entwicklungszusammenarbeit hervorgegangen.
Die aus dem 15. Jahrhundert stammende Abu al-Abbas al-Mursi-Moschee in der Küstenstadt Alexandria, der zweitgrößten Stadt Ägyptens, sorgte kürzlich ebenfalls für Diskussionen. Ein mit der Renovierung beauftragter Bauunternehmer hatte ohne Absprache beschlossen, die historischen Decken der größten Moschee der Stadt, die bekannt sind für Schnitzereien und ihre Farbigkeit, weiß zu streichen, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete. Die örtlichen Behörden kündigten dem Bericht zufolge eine Untersuchung an.
Japan bezahlt den Projektstart
Für manche Kritiker kommt die Restaurierung der Pyramide von Menkaure ohnehin zur Unzeit: Das Projekt fällt in eine Zeit des wirtschaftlichen Abschwungs. Ägypten muss 32 Milliarden US-Dollar an Auslandskrediten zurückzahlen, berichtet das ägyptische Nachrichtenportal National . Verschärft wird die Schuldenkrise durch eine hohe Inflation und einen starken Rückgang des Handels über den Suezkanal, eine wichtige Einnahmequelle für die ägyptische Regierung.
Projektleiter Waziri wies die Kritik in einem Fernsehinterview jedoch zurück. Die erste Phase des Projekts werde schließlich von Japan finanziert.