100 Jahre Schwarzwälder Kirschtorte
19. Oktober 2015"Das Backen von Schwarzwälder Kirschtorten ist mein Tagesgeschäft." Freddy Boch, Chef vom Hotel Engel in Todtnauberg im Südschwarzwald, braucht kein Rezeptbuch. Mehrere Sahnetorten mit Biskuitboden und Kirschen entstehen jeden Tag in seiner Küche. Der Griff zur Schnapsflasche schon am frühen Morgen ist fester Bestandteil. Denn in jede Torte gehört ein kräftiger Schuss Kirschwasser. Das Hochprozentige gibt der Torte ihren unverwechselbaren Geschmack.
Eine Torte mit Mission
"Die Schwarzwälder Kirschtorte ist die bekannteste Botschafterin unserer Region", erklärt Christopher Krull, Geschäftsführer der Schwarzwald-Tourismus-Gesellschaft in Freiburg. "Und sie ist die bekannteste und beliebteste Torte Deutschlands." Ob in Cafés, Restaurants oder auch in Wanderhütten: Die kalorienreiche Spezialität gehört zu den am häufigsten bestellten Süßspeisen. Auch in Australien, Asien und Südafrika kennt man sie. Nur die Sachertorte aus Wien hat einen ähnlichen Bekanntheitsgrad.
Geburtsstunde im Rheinland
Wie die Schwarzwälder Kirschtorte erfunden, darüber gibt es mehrere Geschichten. Der gängigen Variante nach schuf sie der aus dem schwäbischen Riedlingen stammende Konditor Josef Keller (1887-1981). Keller arbeitete damals im Café Ahrend in Bad Godesberg am Rhein, dort wurde die Spezialität von ihm im Jahre 1915 geschaffen und erstmals serviert. Das Café gilt als die Geburtsstätte der Schwarzwälder Kirschtorte. Es besteht noch heute. Es heißt inzwischen Café Agner, und Bad Godesberg ist heute ein Stadtteil von Bonn.
Keller zog später nach Radolfzell am Bodensee und eröffnete sein eigenes Café. Die Tortenspezialität wurde auch dort zum Renner. Sie traf den Geschmack der Gäste und machte sich weltweit einen Namen. Einer von Kellers Lehrlingen hob das Originalrezept auf. Es liegt heute in einer Konditorei in Triberg im Schwarzwald.
Noch eine Geburtsstunde, diesmal in Tübingen
Im Schwarzwald lässt man sich von dem schwäbischen Konditor, der im Rheinland den Torten-Klassiker erfand, nicht den Appetit verderben. Denn eindeutig sei die Sache nicht, heißt es. So erhebt das schwäbische Tübingen ebenfalls den Anspruch, die Schwarzwälder Kirschtorte erfunden zu haben - allerdings erst 1930 und damit 15 Jahre nach Bad Godesberg. Das Grundrezept war ohnehin schon viel länger im Schwarzwald bekannt: eingekochte Kirschen wurden mit Milchrahm und manchmal auch mit etwas Schnaps serviert - jedoch als einfaches Dessert, nicht als Torte.
Von gestern ist die Torte auf jeden Fall nicht, sagt Hotelier Boch. Im Gegenteil. Es werde mehr gegessen als früher und das Angebot sei reichhaltig. "Wir profitieren vom Trend hin zu regionalen und unverwechselbaren Lebensmitteln", so der Gastronom. Die Kirschen und das Kirschwasser stammen aus dem Schwarzwald. "Wichtig ist außerdem, dass die Torte handwerklich korrekt hergestellt und gut gemacht wird."
Ein Fest für die Torte
Alle zwei Jahre findet unter Bochs Regie in Todtnauberg ein Kirschtortenfestival statt, das nächste im April 2016. Zudem erklären Boch und andere Konditoren Touristen und Einheimischen in regelmäßigen Kursen und Seminaren, wie aus dem Trio Kirschen, Sahne und Kirschwasser eine runde Sache wird. Dieses Angebot ist gefragt.
Markenrechtlich geschützt ist die Torte übrigens nicht, produziert werden darf sie überall auf der Welt - auch mit Veränderungen. Ein Schwarzwälder Bäckermeister etwa hat aus den Originalrezepten der Torte vor fünf Jahren einen Kuchen in der Dose entwickelt.