2019: Was kommt auf Russland und Ukraine zu?
24. Dezember 2018Das neue Jahr beginnt in Russland mit Preiserhöhungen: Die Mehrwertsteuer steigt von 18 auf 20 Prozent. Die Regierung hofft damit unter anderem, die Kürzungen im Gesundheitssystem und bei der Bildung zumindest teilweise auszugleichen. Diese Kürzungen waren wegen der gesunkenen Öl- und Gaspreise der vergangenen Jahre notwendig geworden, Russlands wichtigstes Exportgut. Noch ist unklar, wie sich die Mehrwertsteuererhöhung auf das zarte Wirtschaftswachstum im unteren einstelligen Bereich auswirkt. Manche Kritiker warnen vor einer Stagnation.
Die Preiserhöhung dürfte die ohnehin gesunkene Popularität der Regierung und von Präsident Wladimir Putin noch stärker belasten. Die 2018 beschlossene und in Russland sehr umstrittene Erhöhung des Renteneintrittsalters führte bereits zu einem Einbruch bei Putins Zustimmungswerten. Noch weiß er rund zwei Drittel der Russen hinter sich, doch mit seiner herausragenden Beliebtheit scheint es zunächst vorbei. Mit Massenprotesten ist gleichwohl nicht zu rechnen.
Ausstieg aus dem INF-Vertrag
Die wirtschaftliche Entwicklung Russlands dürfte auch im neuen Jahr von westlichen Sanktionen gebremst werden. Die USA hielten sich zuletzt zwar mit neuen, schärferen Maßnahmen zurück, machten aber deutlich, dass es keine Abkehr von der Sanktionspolitik geben werde.
2019 dürfte eine neue Zäsur im Verhältnis zwischen Russland und den USA bringen. Im Februar läuft das US-Ultimatum aus, das Washington Moskau wegen der angeblichen Verletzung des INF-Vertrags gestellt hat. Russland bestreitet den Vorwurf, heimlich eine verbotene Mittelstreckenrakete entwickelt zu haben. Beobachter gehen davon aus, dass beide Seiten aus dem Vertrag, einem Meilenstein der atomaren Abrüstung aus dem Jahr 1987, aussteigen werden.
Ein weiteres zentrales außenpolitisches Datum für Russland steht im Juni an. Sollte Russland bis dahin seine Beitragszahlungen an den Europarat nicht wiederaufnehmen, könnte der Ministerrat gezwungen sein, Russland auszuschließen. Russland hat seine Zahlungen im Juni 2017 eingestellt, nachdem die Parlamentarische Versammlung des Europarats 2014 der russischen Delegation wegen der Krim-Annexion das Stimmrecht entzogen hatte. Eine Kompromisslösung ist bislang nicht in Sicht. Russland droht immer wieder, den Europarat, dem es seit 1996 angehört, zu verlassen.
Neue Konflikte mit der Ukraine: Kirche und Gastransit
Das Verhältnis Russlands zum Nachbar Ukraine dürfte auch im neuen Jahr angespannt bleiben. Ein großer Krieg gilt zwar als unwahrscheinlich, doch der seit fünf Jahren schwelende Konflikt dürfte erneut aufflammen. Neue Vorfälle wie im November 2018 in der Meerenge von Kertsch, als die russische Küstenwache zwei ukrainische Marineboote und einen Schlepper mit Gewalt an der Durchfahrt hinderte und die Besatzungen inhaftierte, könnten sich wiederholen.
Zu den bereits bestehenden alten Wunden wie der Krim-Annexion und dem Stellungskrieg in der Region Donbass dürfte im neuen Jahr die Gründung einer neuen unabhängigen nationalen orthodoxen Kirche in der Ukraine kommen. Diese "Orthodoxe Kirche der Ukraine", so der offizielle Name, wurde im Dezember ausgerufen und könnte voraussichtlich am 6. Januar 2019 vom Patriarchen Bartholomaios von Konstantinopel eine Art Gründungsurkunde erhalten. Die Ukraine will damit die Dominanz der russischen Kirche brechen und die Spaltung der Orthodoxie im eigenen Land überwinden. Doch die Russische Orthodoxe Kirche erkennt die neue ukrainische Gründung nicht an. In der Ukraine droht nun ein neuer Glaubenskampf, der auch um Heiligtümer wie dem Kiewer Lawra-Kloster entbrennen könnte.
Außerdem dürfte das Jahr 2019 entscheidend für den künftigen Transit russischen Gases durch die Ukraine werden. Der aktuelle Vertrag läuft aus und Verhandlungen über ein Nachfolgeabkommen haben noch nicht begonnen. Dabei würde Russland gerne Gaslieferungen durch die Ukraine in die EU ganz einstellen und durch neue Pipelines, wie Nord Stream 2, ersetzen. Doch Brüssel und Berlin möchten sicherstellen, dass die Ukraine ein Transitland bleibt. Verhandlungen darüber dürften extrem schwierig werden.
Schicksalsjahr für Poroschenko
Mit gleich zwei Wahlen, der Präsidentenwahl Ende März und der Parlamentswahl im Herbst, steht die Ukraine möglicherweise vor großen innenpolitischen Turbulenzen. Der jetzige Präsident Petro Poroschenko möchte wiedergewählt werden, doch seine niedrigen Umfragewerte geben ihm derzeit wenig Hoffnung. Als aussichtsreiche Kandidatin gilt die ehemalige Ministerpräsidentin und Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko. Ihre Präsidentschaft wäre eine große Unbekannte, auch wenn sie an einem prowestlichen Kurs festhalten würde.
Noch wichtiger dürfte jedoch die Parlamentswahl sein. Die Regierung ist laut Verfassung mächtiger als der Präsident. Es war in der jüngsten Geschichte der Ukraine oft der Fall, dass sich der Präsident und die vom Parlament eingesetzte Regierung gegenseitig blockierten. Auch Straßenproteste als Druckinstrument sind nicht ausgeschlossen. Sollte es wieder zu Unruhen kommen, wäre das ein schwerer Rückschlag für das Land, das schon lange versucht, den Krisenmodus hinter sich zu lassen.