2200 Jahre zurück in Jerusalem
3. November 2015Eines der verbliebenen größten Rätsel der Frühgeschichte Jerusalems scheint gelöst: Archäologen haben südlich des Tempelbergs die Reste der vor 2200 Jahren unter griechischer Herrschaft errichteten Zitadelle identifiziert. "Offenbar haben wir endlich das Mysterium lösen können, wo sich der unter dem Seleukiden-König Antiochos IV. Epiphanes errichtete Festungsbau befand", teilten die Grabungsleiter bei einer Präsentation für die Presse mit. Das Seleukidenreich gehörte zu den Diadochenstaaten, die sich nach dem Tod Alexanders des Großen gebildet hatten.
Zwischen der südlichen Altstadtmauer und dem Stadtteil Silwan
Die griechischen Eroberer Jerusalems hatten im zweiten Jahrhundert vor Christus eine "Acra" (Burganlage) errichtet, um den Zugang zum Jüdischen Tempel zu kontrollieren, den sie ihrem Gott Zeus weihten. Die fortschreitende Zwangshellenisierung der Hebräer führte 166 vor unserer Zeitrechnung zum Makkabäer-Aufstand, bei dem es gelang, den Tempel zurückzuerobern.
Allerdings blieb die Zitadelle noch 25 weitere Jahre in der Hand der Seleukiden. Diese Festung wurde nach langer Belagerung schließlich erstürmt und völlig geschleift. Über den genauen Standort wurde deshalb lange gerätselt. Jetzt präsentierten die israelischen Archäologen in der Grabungsstätte "Davidsstadt" zwischen der südlichen Altstadtmauer und dem arabischen Stadtteil Silwan die Funde, die sie veranlassen, hier die Acra zu lokalisieren.
Grundmauern eines Turmes und ein Erdwall
Freigelegt wurden die massiven Grundmauern eines Turms, der vier mal 20 Meter maß, und ein Glacis (steiler Erdwall), das die Eroberung der Festung erschwerte. An gleicher Stelle wurden Schleudern aus Blei und bronzene Pfeilspitzen sowie steinerne Kugeln gefunden, die auf heftige Kämpfe schließen lassen. Viele dieser Gefechtsmittel sind mit Dreizacks gestempelt, dem Symbol der Seleukidenkönige. Die Datierung wurde auch ermöglicht durch den Fund von Dutzenden Münzen, die unter Antiochos IV. geprägt wurden, sowie von 200 Henkeln von Wein-Amphoren mit Siegeln der griechischen Insel Rhodos.
In dem Grabungsfeld "Davidsstadt", das von Israel zu einem Nationalpark erklärt und teilweise für Besucher geöffnet wurde, waren in den vergangenen Jahren wichtige Funde aus zehn verschiedenen Herrschaftsepochen gemacht worden. Ausgegraben wurden beispielsweise ein rituelles Bad aus der Zeit des Zweiten Jüdischen Tempels, die Ruinen einer römischen Villa, ein Goldschatz aus byzantinischer Ära und eine Bäckerei aus der ottomanischen Epoche.
Grabungsleiter Doron Ben-Ami von der Hebräischen Universität freute sich: "Simon Makkabäus hat die Zitadelle so gründlich niederreißen lassen, dass wir immer dachten, es gebe keine Chance, irgendwelche Reste zu finden. Aber wir hatten Glück und können nun mit starken Belegen beanspruchen, dass wir den Standort entdeckt haben."
sti/uh (afp, dpa, kna)