40 Jahre Vatikanisches Konzil: Aufbruch in eine neue Zeit?
8. Dezember 2005Papst Benedikt XVI. versucht seit seinem Amtsantritt, die Wogen zu glätten: Innerhalb kürzester Zeit empfing er gleich zwei Rom-Rebellen - den liberalen Vatikan-Kritiker Hans Küng und Bernard Fellay, einen Anhänger des traditionalistischen Bischofs Marcel Lefebvre. Küng war 1979 die Lehrerlaubnis entzogen worden, Lefebvre wurde 1988 exkommuniziert. Der erzkonservative französische Bischof hatte das Vaticanum als "ärgste Tragödie" bezeichnet: Die Anwesenden seien "Zeugen der Vermählung der Kirche mit den liberalen Ideen" geworden.
Worum ging es?
Auf dem Konzil ging es um "Erneuerung", "größere Klarheit im Denken" und "Stärkung des Bandes der Einheit", begründete Papst Johannes XXIII seinen Schritt bei der Ankündigung des Zweiten Vatikanums im Januar 1959. Die zuständigen Geistlichen sollten über die notwendigen Maßnahmen beraten, um die Weltkirche zur modernen Welt hin zu öffnen. Nach langen Vorbereitungen, Diskussionen mit der konservativen Opposition innerhalb der Kurie und Überlegungen zu den möglichen Inhalten des Konzils zogen die 2498 Konzilsväter aus aller Welt - Kardinäle, Bischöfe, Patriarchen, Ordensobere, Äbte und andere Geistliche - am 11. Oktober 1962 in einer feierlichen Prozession in den Petersdom ein. Am 8. Dezember 1965 ging es nach mehr als drei Jahren Debatten zu Ende.
Was wurde erreicht?
Von Anfang an kristallisierten sich die erwarteten Auseinandersetzungen zwischen "Erneuerern und Bewahrern" heraus. Am Ende gewannen die Erneuerer die Oberhand. Konservative Kräfte kritisierten vor allem die beschlossene Reform der Liturgie: Sie ersetzte die traditionelle lateinische Sprache der Messe weitgehend durch die jeweilige Landessprache. Außerdem wurde ein neues Kirchenverständnis formuliert, wonach jeder Einzelne Mitverantwortung trägt.
Unter den verabschiedeten Dokumenten waren die Erklärung zur Religionsfreiheit "Dignitis humanae", die Konstitution über die heilige Liturgie "Sacrosanctum Concilium" und das Dekret über den Ökumenismus "Unitatis redintegratio", in der gefordert wurde, die Einheit aller Christen wiederherzustellen. Die vierte Konstitution ebnete einer modernen Erforschung der Bibel den Weg.
Für viele brachte das Konzil die lang erwartete Modernisierung der katholischen Kirche, die sich den Zeichen der Zeit anpassen wollte. Für andere gingen die Öffnungen der Kirche hingegen noch nicht weit genug. Und dann gibt es auch überzeugte Kritiker dieser Liberalisierung, die sich seither auf Konfrontationskurs mit Rom befinden.
Papst Benedikts "Vergangenheitsbewältigung"
Joseph Ratzinger war 1962 - als junger Theologe - selbst mit dem damaligen Kölner Kardinal Joseph Frings als offizieller Konzilstheologe in die Ewige Stadt gereist. Fings hatte ihn darum gebeten, sein Berater zu werden. Aus Ratzingers Feder stammen einige der progressiven Diskussionsvorlagen des Konzils. Danach wandte er sich in die entgegengesetzte Richtung: Ratzinger fühlte sich von der 1968er Bewegung überrumpelt - er verstand sie nicht. Heute zitiert Ratzinger als Papst Benedikt XVI. gern beim Angelus-Gebet aus den wichtigsten Konzilsdokumenten. Erst kürzlich rief der Papst die Gläubigen mit Blick auf die pastorale Konzils-Konstitution "Gaudium et Spes" dazu auf, den Advent als "eine Zeit der Hoffnung" zu verstehen. Und dem israelischen Präsidenten Mosche Katzav schenkte er bei dessen Besuch eine Ausgabe der Erklärung "Nostra Aetate", die das Verhältnis der katholischen Kirche zu den nichtchristlichen Religionen behandelt.
Reaktionen von heute
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, hat den Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils vor 40 Jahren als "Meilenstein für die gesamte Christenheit" gewürdigt. Die Konzilsergebnisse hätten den Weg für ein ökumenisches Miteinander der Kirchen eröffnet und das Verhältnis der römisch-katholischen Kirche zur Welt auf ein neues Fundament gestellt, erklärte der Berliner Bischof. Viele ökumenische Fortschritte seien Ergebnis der damaligen Öffnung. Im zeitlichen Abstand werde jedoch auch der Kompromisscharakter vieler Konzilsaussagen deutlich:
Auch der Ökumene-Experte Walter Schöpsdau betonte, beim Zweiten Vatikanische Konzil habe es nicht um ein rein katholisches, sondern um ein Ereignis der gesamten Christenheit gehandelt. Offiziell habe die katholische Kirche auf dem Konzil ihre Mitschuld an den historischen Spaltungen eingeräumt, so Schöpsdau. Ein Ausweg aus dem "ökumenischen Dilemma" sei jedoch nicht gefunden worden. Er verwies darauf, dass es in allen Kirchen heute wieder ein "Geist der Abgrenzung" gebe. (arn)