1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

60 Jahre JFK-Ermordung: Der Wahrheit auf der Spur

John Silk
22. November 2023

60 Jahre nach Kennedys Tod: Filmemacher und Autoren versuchen seit Jahrzehnten herauszufinden, was wirklich am 22. November 1963 in Dallas geschah. Sind wir der Wahrheit im dunklen Kapitel der US-Geschichte näher?

https://p.dw.com/p/4Z969
Eine offene Limousine in einer Wagenkolonne, darin lächelnde Menschen, daneben Publikum und ein Polizeimotorrad
Kennedy kurz vor seiner Ermordung 1963 in Dallas Bild: AP Photo/picture alliance

Als am 22. November 1963 der erste Schuss auf die Wagenkolonne fiel, die durch Dallas fuhr, fasste sich US-Präsident John F. Kennedy an die Kehle. Sekunden später kippte sein Kopf nach hinten, nachdem ihn der tödliche zweite Schuss getroffen hatte.

Kennedys brutale öffentliche Ermordung wurde vom Amateurfilmer Abraham Zapruder auf einem 8-mm-Farbfilm festgehalten. Zapruder hatte beim Filmen eine nahezu perfekte Position an der Route der Autokolonne. Seine Bilder sind der Ausgangspunkt zahlreicher Bücher, Dokumentationen und Kinofilme über das Attentat.

Einzeltäter oder nicht?

Zapruders Filmmaterial lässt die Vermutung zu, dass der mutmaßliche Attentäter Lee Harvey Oswald, ein damals 24-jähriger ehemaliger Marinesoldat, nicht allein gehandelt hat. Die Warren-Kommission, die in den USA damals die Umstände von Kennedys Tod untersuchte, kam jedoch zu dem Schluss, dass Oswald als Einzeltäter aus dem nahegelegenen Texas School Book Depository die Kugeln auf Kennedy abgefeuert hatte.

USA, Dallas | Attentat auf John F. Kennedy
JFK und Jackie Kennedy, vor ihnen der texanische Gouverneur und dessen FrauBild: Cinema Publishers Collection/imago images

60 Jahre nach dem Tag, der die Welt erschütterte, fragen sich viele weiterhin, woher die Schüsse kamen, darunter auch Barry Levinson, Regisseur der aktuellsten Hollywood-Produktion zum Thema: "Assassination", starbesetzt mit Courtney Love, Viggo Mortensen, Shia LaBeouf, Al Pacino und John Travolta. Der Film untersucht die Theorie, dass es eine Verbindung zwischen der Chicagoer Mafia und der Ermordung Kennedys gegeben habe.

An Theorien mangelt es nicht

Richtig ist, dass Kennedy vor seiner Ernennung zum Präsidenten enge Verbindungen zur Mafia hatte. Und er stieß die Gangster nach seinem Amtsantritt vor den Kopf, indem er bundesstaatliche Ermittlungen und Strafverfolgungen einleitete, die Macht und Profite der organisierten Kriminalität bedrohten.

Doch dies ist nur eine von dutzenden Theorien, die es zum Attentat von Dallas gibt. Das vielleicht bekannteste Werk über die Hintergründe der Kennedy-Ermordung ist Oliver Stones filmisches Epos "JFK - Tatort Dallas" aus dem Jahr 1994. Darin spielt Kevin Costner den Bezirksstaatsanwalt von New Orleans, Jim Garrison, der glaubt, dass hinter dem Attentat mehr steckte, als die Warren-Kommission herausgefunden hatte. Garrison und sein Team vermuteten, dass Oswald ein Agent der CIA war, dem das Attentat angehängt wurde.

Rätsel Lee Harvey Oswald

Oswald verbrachte einige Zeit in der UdSSR, was zu Spekulationen über den Einfluss Moskaus führte. Wieder andere Autoren vermuten eine Einflussnahme Kubas, da Kennedy daran interessiert war, den kommunistischen Revolutionär Fidel Castro zu stürzen. Auch das FBI und Kennedys Nachfolger im Präsidentenamt, Lyndon B. Johnson (LBJ), wurden schon verdächtigt.

Lyndon B. Johnson bei seiner Vereidigung zum US-Präsidenten im Flugzeug, neben ihm Jackie Kennedy (22.11.1963)
Lyndon B. Johnson bei seiner Vereidigung zum US-Präsidenten im Flugzeug, neben ihm Jackie Kennedy (22.11.1963)Bild: DB/dpa/picture-alliance

"The Man Who Killed Kennedy: The Case Against LBJ" ist ein Buch aus der Feder von Roger Stone, einem Mitarbeiter von Donald Trump. Roger Stone behauptet, dass Kennedys Nachfolger mit Gangstern und US-Geheimdiensten zusammengearbeitet habe, um den Präsidenten zu töten. Viele dieser spekulativen Bücher und Filme wurden rund um die Jahrestage von Kennedys Tod veröffentlicht, darunter auch Stones Buch, das 50 Jahre nach Kennedys Ermordung im Jahr 2013 erschien.

"Letzter Zeuge" spricht nach Jahrzehnten des Schweigens

Im September befasste sich die "New York Times" näher mit dem Bericht von Paul Landis. Er war 1963 Geheimdienstagent und war nur wenige Meter von Kennedy entfernt, als dieser erschossen wurde. Landis' Bericht stellt die "Einzelkugel-Theorie" der Warren-Kommission infrage. Diese besagt, dass eine von drei Kugeln den Hals Kennedys durchschlug, bevor sie den Gouverneur von Texas, John B. Connally, traf, der auf dem Vordersitz saß und diesen an Rücken, Brust, Handgelenk und Oberschenkel verletzte.

Es ist verblüffend, dass Landis trotz seiner Nähe zu dem Ereignis nie von der Warren-Kommission befragt wurde. 60 Jahre lang hat der heute 88-Jährige zu dem Thema geschwiegen. Bis jetzt.

In seinem am 10. Oktober in Deutschland erschienenen Memoiren "The Final Witness" schreibt Landis, dass er keine Verschwörungstheorien zu Kennedys Tod verbreiten wolle. Dennoch säht Landis Zweifel an der "Einzelkugel-Theorie". Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Oswald nicht der einzige Schütze war.

Immer mehr Dokumente öffentlich

Das Buch "Case Closed" von Gerald Posner aus dem Jahr 1993 kommt hingegen zu dem Schluss, dass Lee Harvey Oswald allein gehandelt hat. Oswald wurde nur zwei Tage nach Kennedys Ermordung von dem Nachtclubbesitzer Jack Ruby im Keller des Polizeipräsidiums von Dallas erschossen. Die Warren-Kommission fand keine Beweise dafür, dass Ruby an der Ermordung JFKs beteiligt gewesen wäre; auch nicht, dass sein Mord an Oswald Teil einer Vertuschung war.

Jack Ruby erschießt Lee Harvey Oswald (22.11.1963)
Jack Ruby erschießt Lee Harvey Oswald (22.11.1963)Bild: Globe-ZUMA/picture alliance

Vergangenen Dezember veröffentlichten die US-Nationalarchive 13.173 Dokumente im Zusammenhang mit der Ermordung JFKs, nachdem die Trump-Administration im Jahr 2017 einen ähnlichen Schritt gemacht hatte. Damit sind 97 Prozent der Dokumente im Zusammenhang mit dem Attentat heute öffentlich. 

Eine unendliche Geschichte

Die Familie Kennedy scheint vom Unglück verfolgt: JFKs jüngerer Bruder Bobby Kennedy wurde 1968 ermordet, als er seinen Präsidentschaftswahlkampf begann. Die politischen Ambitionen seines jüngsten Bruders Edward Kennedy wurden zunichtegemacht, nachdem er einen Unfallort verließ, an dem seine Beifahrerin und Wahlhelferin Mary Jo Kopechne ums Leben kam. John F. Kennedy Jr., der Sohn des ehemaligen US-Präsidenten, starb beim Absturz seines Kleinflugzeugs am 16. Juli 1999 vor der Insel Martha's Vineyard.

Kennedy Jr. war beim Begräbnis seines Vaters drei Jahre alt und salutierte dem Sarg. Eine unschuldige und unfreiwillig großen Geste, die heute als ikonisch gilt.

Von seinen Heldentaten während des Zweiten Weltkriegs über seine aufsehenerregenden Affären unter anderem mit Marilyn Monroe bis hin zu seinem Engagement für Bürgerrechte und seinen vorausschauenden Raumfahrtplänen hat Kennedy immer wieder fasziniert – erst recht nach seinem Tod.

60 Jahre nach der Ermordung des Präsidenten in seiner offenen Limousine werden die Spekulationen über das Motiv für seinen Tod vermutlich weitere Jahrzehnte andauern. Oder wie es "JFK"-Regisseur Oliver Stone einmal im Bezug auf die Einzeltäter-Theorie ausdrückte: Die amerikanische Öffentlichkeit hat es "nie akzeptiert. Sie können eine Ratte riechen."

Dieser Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert.