Klimakonferenz feilscht um Ablasshandel
12. Dezember 2019Auf den Gängen der UN-Klimakonferenz tobt das Leben: Überall auffällig viele junge Menschen, die fordern, jetzt endlich ernst zu machen mit dem Schutz des Klimas. Eigentlich wollen sie nichts mehr hören von langwierigen, komplizierten Verhandlungen, die die Treibhausgase endlich abbauen. Greta Thunberg, die Gallionsfigur der Jugendbewegung "fridays for future" ist nicht schwer zu finden auf diesem Mammuttreffen der Messe in der spanischen Metropole: Immer den Kameras hinterher, dahinter wird sie schon irgendwo sein. Mitte der Woche hat sie den rund 190 versammelten Staaten die Leviten gelesen: Die Klimakonferenzen hätten sich offenbar in eine "Gelegenheit für Länder verwandelt, Schlupflöcher auszuhandeln und die Anhebung ihrer Ambition zu vermeiden."
"Wir werden keine Schlupflöcher mehr dulden!"
Das trifft die internationalen Verhandler in Madrid ins Mark. Denn tatsächlich ist es ein Hauptstreitpunkt zwischen den Staaten, wie genau man mit Mitteln der freien Marktwirtschaft Klimaschutz betreiben kann. Marktmechanismen, also Handel mit Verschmutzungsrechten, lautet das Zauberwort seit vielen Jahren schon im internationalen Klimaschutz, mal mit mehr, oft genug mit fragwürdigem Erfolg. In Zukunft soll der Kauf oder Verkauf von Verschmutzungsrechten nur noch dem Klima nützen, verspricht Deutschlands Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth. Schlupflöcher, die Greta Thunberg befürchtet, wird es dann, so hofft Flasbarth, nicht mehr geben: "Wir lassen nicht einmal einen Spalt zu. Mechanismen, die nicht integer sind, funktionieren nicht!"
Emissionen vermeiden
Nach Ansicht vieler Umweltgruppen gab es die in der Vergangenheit aber allzu oft. Der Grundsatz ist immer der gleiche: Wer im reichen Norden seine eigenen, nationalen Klimaziele nicht schafft, kann irgendwo in ärmeren Ländern etwas für das Klima tun, etwa einen Windpark bauen, und bekommt das in seiner eigenen Klimabilanz gutgeschrieben. Das feiern wirtschaftsnahe Politiker schon seit Jahren als kostengünstigen Klimaschutz: Emissionen kann man am besten dort vermeiden, so meinen sie, wo sie am schädlichsten sind. Kostengünstig sei das zudem.
Greenpeace: "Zertifikate helfen nicht!"
Das kann im Prinzip gelingen, aber die Details sind wichtig: Was ist genau eine Investitionen in den Klimaschutz? Sind das auch riesige Wasserkraftwerke und Staudämme etwa in Asien oder Südamerika? Umweltschützer befürchten, dass die Zertifikate vor allem zu billig werden und so keine Anreize bieten, wirklich auf nachhaltige Produktionsmethoden umzusteigen. Politiker wie Brasiliens rechtspopulistischer Präsident Bolsonaro sind zudem auf die Idee gekommen, solche Projekte nicht nur dem investierenden Land anzurechnen, sondern auch dem Land, in dem investiert wird. Deshalb kommt Martin Kaiser, Klimaexperte von Greenpeace, zu dem Schluss: Zertifikate helfen dem Klima nicht. Kaiser sagt der DW im Madrid: "Die große Gefahr ist, dass es einen Marktmechanismus gibt, der im wesentlichen Ölunternehmen wie Schell oder dem Urwald-Zerstörer Bolsonaro in die Hände spielt. Dass im Wesentlichen Zertifikate auf den Markt geschmissen werden, die viel zu billig sind. Die doppelt angerechnet werden. Und die Gefahr besteht, dass alte Zertifikate aus den vergangenen Jahren auch in Zukunft noch verrechnet werden."
Zertifikate aus der Vergangenheit
Denn auch das verkompliziert die Sache: Schon im alten Klimavertrag, dem Kyoto-Protokoll, gab es ein System von Verschmutzungsrechten, nicht alle davon sind aufgebraucht, und Länder wie Brasilien möchten, dass diese alten Rechte einfach in die neue Zeit mitgenommen werden dürfen. Denn im nächsten Jahr soll dann der Pariser Klimavertrag von 2015 mit schärferen Klimazielen in Kraft treten. Mit Zertifikaten aus der Vergangenheit?
Schulze will Tag und Nacht kämpfen
Deutschland und die EU versprechen hoch und heilig, dass sie solche Tricksereien verhindern wollen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze gibt sich kämpferisch: "Ich hoffe sehr, dass wir das hier abschließen können. Aber es ist sehr schwierig, es ist nicht ganz einfach. Und deshalb arbeiten wir jetzt daran, Tag und Nacht, und versuchen, das fertig zu bekommen." Noch ist dafür bis Freitag, vielleicht bis Samstag Zeit.
"Die reichen Länder müssen zuhause besser werden!"
Martin Kaiser hält grundsätzlich nichts vom Monopoly-Spiel mit Klimaaktien: "Wir brauchen keinen Marktmechanismus. Was wir brauchen, sind nationale, ordnungsrechtliche Rahmen für die Unternehmen, die sie endlich in die Schranken weisen. Was wir jetzt brauchen, ist eine Reduktion, die zusätzlich ist zu dem, was sowieso gemacht wird, im Bereich Öl, Kohle und Gas."
Ein weiteres Problem ist auch, wem eigentlich genau welche Emissionen zugerechnet werden: Wenn die alten Industriestaaten ihre Produktionen ins Ausland, oft in den Süden, verlagern und dort dann Klimagase entstehen, wer hat die verursacht? Der reiche Norden oder der arme Süden? Komplizierte Fragen. Die Marktmechanismen sind das letzte Detail aus dem Pariser Vertrag von 2015, das noch abschließend geregelt werden muss. Und es ist offenbar das Schwierigste. Ein Milliardengeschäft wird es allemal.