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Bargeld auf dem Rückzug

Daniel Heinrich
5. Januar 2021

In Deutschland und der EU bezahlen immer weniger Menschen mit Bargeld. Corona hat diesen Trend noch verstärkt. Experten warnen jedoch vor den Risiken der "schnellen", "hygienischen" Bezahlmethode.

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Deutschland Symbolbild mobiles Bezahlen
Bild: picture-alliance/dpa/F. Gabbert

Deutschlands umsatzstärkste Bäckereikette sorgte im Juni des vergangenen Jahres bundesweit für Schlagzeilen. Das Unternehmen mit Sitz in einem kleinen Ort nahe Düsseldorf hatte einen "Innovations-Rabatt" in Höhe von drei Prozent für alle Kunden ausgelobt, die bargeldlos bezahlen. Die die Ersparnis bei der gesenkten Mehrwertsteuer gab die Bäckerei nur an Kartenzahlende weiter. Die Begründung: Die Zahlung via Karte oder Smartphone sei nicht nur schneller, sondern auch hygienischer.

Die Kampagne der Bäckerei ist nur ein Beispiel dafür, wie Geschäfte ihren Kunden zur bargeldlosen Zahlung animieren wollen. Und tatsächlich liegt das nicht erst seit der Corona-Krise im Trend. Erstmals gaben die Menschen hierzulande 2018 beim Einkaufen mehr Geld per Karte aus als in bar. Im Jahr 2020 nahmen die Geschäfte rund 56 Prozent der Umsätze per Kartenzahlung ein. Dennoch liegt Deutschland im europäischen Vergleich nur im Mittelfeld. In Luxemburg, Frankreich und Estland etwa zahlen die Menschen häufiger mit Karte. Zu den absoluten Spitzenreitern gehören die skandinavischen Länder. Hier weigern sich bereits viele Hotels, Bars und Geschäfte, Münzen und Scheine zu akzeptieren. In Schweden tätigen 82 Prozent der Menschen ihre Einkäufe inzwischen bargeldlos.

Griechenland, Athen
Bargeld ade: In vielen europäischen Ländern verschwinden auch schon die Geldautomaten Bild: AFP/A. Tzortzinis

Bargeldloses Zahlen politisch gewünscht

In der gesamten Europäischen Union wird der elektronische Zahlungsverkehr großflächig als sichere und schnelle "Hygienemaßnahme" beworben. Von der Tatsache, dass es keinerlei Beweise dafür gibt, dass von Münzen und Geldscheinen ein nennenswertes Ansteckungsrisiko mit Coronaviren ausgeht, lässt sich die Kommission nicht beirren. Die Pandemie habe gezeigt, wie praktisch das bargeldlose Zahlen sei, heißt es bei der Brüsseler Behörde. Deshalb werde die EU es künftig noch mehr fördern. Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat Digitalisierung und bargeldloses Zahlen gleich nach dem Klimaschutz gar zu einer Top-Priorität erklärt.

Oliver Hommel ist Experte für Zahlungsverkehr und Open Banking bei Accenture, einer der größten Unternehmensberatungen weltweit. Der Volkswirt ist überzeugt, dass der Trend zum bargeldlosen Zahlen in der EU anhalten wird. Zum einen hätten sich "viele Menschen an die Vorteile gewöhnt", zum anderen sei "die Abneigung gegenüber Kartenzahlung bei den Händlern schon vor der Corona-Krise deutlich zurückgegangen".

Deutschland Berlin Kartenzahlung
Gehört in Coronazeiten zum Alltag: In vielen Geschäften wird um Kartenzahlung gebetenBild: DW/M. Özcerkes

Der politische Wille zur Veränderung schlägt sich auch im Alltag nieder: Dank einer EU-Regelung dürfen die Kredikarteninstitute seit 2015 nicht mehr so hohe Gebühren von den Händler verlangen wie zuvor. Deshalb finden Verbraucher inzwischen auch seltener den Hinweis, dass eine Kartenzahlung erst ab einer bestimmten Summe möglich ist.

Was für den Kunden ein Vorteil ist, kann für den selbstständigen Bäcker um die Ecke und andere kleine Geschäfte allerdings zum Problem werden. Zu häufig ist die Umstellung mit Einbußen verbunden. Die Kartenterminal-Betreiber verlangen bei EC-Karten meist bei 0,25 Prozent, bei Kreditkarten sind es bis zu drei Prozent des getätigten Einkaufs. Größere Discounter und Läden handeln häufig günstigere Konditionen aus oder bekommen eine Flatrate von ihren Zahlungsdienstleistern.

Risiko beim Datenschutz

Auf Seite der Kunden sehen Experten vor allem Probleme beim Datenschutz. Für Oliver Hommel gilt dies insbesondere bei Bezahlvarianten mit dem Smartphone, bei denen man die PIN während des Bezahlens nur im Handy eingibt. Dies betrifft vor allem die Technik der sogenannten Nahfeldkommunikation (NFC). Bisher kommt diese Technik vor allem bei kontaktlosen Zahlungen kleiner Beträge zum Einsatz. Von Tankstellen bis Discounter sind inzwischen viele Geräte für das Kartenzahlungen auch mit NFC-Lesegeräten ausgestattet. Um das Handy mit dem Gerät zu verbinden, muss man sich lediglich eine App herunterladen.

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Bild: picture-alliance/dpa/F. Gabbert

Welche Bedeutung diese Art der Bezahlung inzwischen erlangt hat, sieht man in den Niederlanden, wo die NFC-Methode beim Einkauf besonders beliebt ist. Dort zücken Kunden seit 2019 häufiger ihr Handy als mit Bargeld oder Karte zu zahlen.

Für Oliver Hommel ist diese Entwicklung nicht unproblematisch, weil "mobile Geräte nicht komplett vor Hackerangriffen geschützt sind." Hinzu kommt: Wer auf diese Art und Weise shoppt, verrät auch, wo er eingekauft hat. Diese Ortsdaten erheben die Bezahl-Apps zu Sicherheitszwecken. Wozu das im Extremfall führen kann, beobachtet Hommel in den USA: "Dort hat Google bereits Zugriff auf viele Kreditkartendaten und kann damit auch Werbung für stationäre Händler gezielter steuern, auswerten und teurer verkaufen."