Addio Lampedusa
21. Dezember 2009Der Kulturassessor Antonio Pappalardo ist stolz auf das jüngste Weihnachtskonzert, das in einer kleinen Kirche auf Lampedusa stattfand. Zum ersten Mal wurde hier ein Weihnachtslied im Dialekt der Insulaner aufgeführt, um zu zeigen, dass die Lampedusaner immer noch im Zentrum des Weltinteresses stehen, sagt Pappalardo. Doch während im Lied die frohe Botschaft verkündet wird, ist für viele Hungernde, Flüchtlinge und Vertriebene die Hoffnung gestorben, in Lampedusa das rettende Europa zu erreichen.
Schicksal unbekannt
Seit Monaten kommen sie nicht mehr an. Was nicht heißen soll, dass es keine Flüchtlinge mehr gibt. Das denkt auch Giusy Nicolini, die sich seit Jahren für die Menschenrechte auf ihrer kleinen Insel einsetzt. Sie fragt sich täglich, wie viele Immigranten unterwegs wieder gestorben sind. Sie hat gehört, dass die Überlebenden jetzt versuchen, alternative Wege zu finden. "Wenn doch noch welche ankommen, dann werden sie aber nicht mehr in Lampedusa versorgt, sondern wieder zurückgebracht nach Libyen", sagt sie.
Gestört haben die Immigranten auf Lampedusa nie, das bestätigt auch der Priester Don Vincent. Lampedusa sei immer nur eine Zwischenstation gewesen, man habe sie praktisch nie gesehen. Sie seien im Hafen empfangen und dann ins Aufnahmelager gebracht worden, wo sie dann ein paar Tage oder Wochen geblieben seien, bevor man sie aufs italienische Festland verfrachtet habe. "Der einzige Immigrant, der hier herumläuft und übriggeblieben ist, das bin ich", so Don Vincent.
Don Vincent lacht aus vollem Halse. Er ist groß und tiefschwarz. Er kommt aus Tansania und lebt seit vier Jahren auf der kleinen Insel. Was mit seinen afrikanischen Brüdern passiert, die jetzt in Libyen festsitzen, wolle er sich gar nicht vorstellen. "Ihr Schicksal müssten wir alle auf dem Gewissen haben, denn wir sind eine einzige große Familie auf Erden. Solange die Menschen hier ankamen, konnten sie wenigstens bezeugen, dass sie noch am Leben waren."
Leeres Lager, leere Insel
Auf Lampedusa ist eine unheimliche Ruhe eingekehrt. Das Meer ist oft stürmisch, doch die wenigen Boote der Küstenwacht liegen seit Monaten vor Anker. Flüchtlinge werden nun von Kriegsschiffen vor der Libyschen Küste abgefangen. Die über 1000 Soldaten und Polizisten, die auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle Anfang des Jahres in Lampedusa stationiert waren, sind zum größten Teil abgezogen worden.
Zum Leidwesen der Hotelbesitzerin Rina d'Amore, denn damit habe sie ein willkommenes Zubrot verloren. Sie habe viel für die Sicherheitskräfte gearbeitet. Seit die meisten weg sind, haben nicht nur Hotels, sondern auch Läden und Restaurants zugemacht und ihre Angestellten nach Hause geschickt.
Flüchtlingsproblematik nicht gelöst, nur verschoben
Totenstille auch im Aufnahmelager, in dem sich noch vor wenigen Monaten fast 2000 Menschen drängten. Hinter dem eisernen Tor ein einsamer, wegen der Kälte dick vermummter Wachsoldat. Es ist kein einziger Immigrant mehr da. Die einst vierzig Angestellten und Mitarbeiter wurden auf fünf Mann reduziert. Für den Notfall, falls sich doch noch einmal ein Boot nach Lampedusa verirren sollte.
Für diesen Notfall sind auch die Fischer auf Lampedusa gerüstet, die wie Paolo derzeit auf besseres Wetter warten müssen. "Schauen wir mal, ob die Vereinbarungen mit Libyen halten. Solange wir Al-Gaddafi, den libyschen Machthaber, bei Laune halten, kommen keine Bootsflüchtlinge mehr bei uns an. So scheint es. Aber was, wenn Italien ihm die kalte Schulter zeigt?"
Autor: Karl Hoffmann
Redaktion: Nicole Scherschun