"Adieu Plastiktüte!" - die Tüte ist endgültig museumsreif
Heute ist die Plastiktüte als Umweltmüll verpönt, auch "Fridays for future" kämpft für ein Verbot. Früher war sie Träger von kunstvollen Werbelogos. Das Museum für Alltagskultur präsentiert jetzt originelle Objekte.
Kunstdruck-Objekt
Die Ära der Plastiktüten geht zu Ende. Nachdem die Protestbewegung "Fridays for Future" die Rettung des Planeten nachhaltig auf die Agenda der politisch Verantwortlichen gehievt hat, bekommen Plastiktüten einen kulturhistorischen Wert. Zwei Sammler haben dem Museum für Alltagskultur in Waldenbuch ihr Tüten-Konvolut zur Verfügung gestellt: 50.000 Exemplare wurden für die Ausstellung gesichtet.
Geschenkverpackung
Die Hausfrau der 1950er Jahre ging mit Tasche oder Korb zum Einkaufen. Anfang der 1960er Jahre wurde das "Shoppen" zum Freizeitvergnügen, in der Bundesrepublik schossen "Shopping-Center" nach amerikanischem Vorbild aus dem Boden. 1965 wurde eine Produktionsmaschine erfunden, die preisgünstig die Fertigung von Einweg-Plastiktüten ermöglichte. Farbig bedruckt fungierten sie auch als Geschenkhülle.
Grafik-Fläche
Die neuen Plastiktüten, die millionenfach über die Ladentheke gingen, waren als Werbefläche sehr geeignet. Firmen ließen sich die Gestaltung ihrer Tüten etwas kosten und beauftragten Künstler dafür. Auch Andy Warhol entwarf in den USA Tüten. Die berühmten "ALDI-Tüten" trugen Motive des deutschen Grafikers Günter Fruhtrunk (1923-1982). Seine Werke wurden auf der documenta und in Museen gezeigt.
Musikgeschichte
Plastiktüten wurden sogar zu Kultobjekten ihrer Zeit. Legendäre Plattenlabel der 1970/1980er Jahre, Musikgeschäfte oder auch berühmte Musikbands wie die "Rolling Stones" oder "Metallica" ließen Tüten mit ihren Motiven bedrucken. Bei Konzert-Tourneen wurden sie neben T-Shirts und Schallplatten zu beliebten Sammelobjekten für die Fans. Heute lagern diese Tüten im Depot des Museums für Alltagskultur.
Konservierung
Kurator Frank Lang und die Restauratoren im Museum Schloss Waldenbuch, wo die Sonderausstellung "Adieu Plastiktüte!" noch bis zum 3. Juli 2020 zu sehen ist, stellen die Objekte aus dünner Plastikfolie vor schwierige Aufgaben. Sortiert, geglättet und unter Objektträgern ausgestellt, behalten sie Farbe und Form. Aber auf Dauer ist das Plastikmaterial nicht konservierbar - es verrottet.
Umweltmüll
Im Meer und in Flüssen sind die Tüten aus Polyethylen und Polypropylen längst eine ökologische Zeitbombe. Die Plastikfolie zerfällt zwar, gelangt aber als zerkleinerte Partikel - Mikroplastik genannt - über Fische und Seevögel in die Nahrungskette und lagert sich im menschlichen Körper ab. Die Gefahr, davon langfristig krank zu werden, ist wissenschaftlich noch nicht ausreichend erforscht.
Statussymbol
Menschen im Kaufrausch, bepackt mit unzähligen Einkaufstüten auch teurer Läden, sieht man heute seltener in den Fußgängerzonen der Städte. Dieses Foto stammt aus dem Jahr 2011. Politische Debatten über nachhaltigen Umweltschutz waren damals noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Heute gehen Menschen aller Altersklassen und Schichten dafür mit "Fridays for Future" auf die Straße.
Wechselausstellung
Die 50.000 Plastiktüten umfassende Sammlung stammt aus dem Zeitraum von 1968 bis 2010. 1100 kulturhistorisch wertvolle Exponate wurden daraus für die Ausstellung ausgewählt. Jeden Monat werden andere im Schloss Waldenbuch gezeigt. Mehr als 50 Jahre war die Plastiktüte auf dem Markt, spätestens ab 2020 soll sie endgültig verboten werden. Bis zum 3. Juli 2020 ist die Ausstellung noch zu sehen.