Hitlers Geburtshaus wird abgerissen
17. Oktober 2016Wenn das der Führer wüsste. Die spöttische Floskel derer, die damals nicht ganz so linientreu waren, drängt sich einfach auf. Adolf Hitlers Geburtshaus im österreichischen Braunau am Inn wird abgerissen und an seiner Stelle ein neues Gebäude errichtet. Das sagte Österreichs Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) der Zeitung "Die Presse". Er folge damit einer Empfehlung einer Expertenkommission, so Sobotka. Das neue Gebäude solle von einer sozialen Einrichtung oder von Behörden genutzt werden. "Es wird keinen Wiedererkennungswert haben", erklärte ein Sprecher des Ministeriums. Damit wäre ein jahrelanger Streit über die Zukunft des Gebäudes beigelegt.
Braun kontaminierter Ort der Zeitgeschichte
Das rund 600 Quadratmeter große Haus ist so etwas wie ein braun kontaminierter Ort der Zeitgeschichte und ein Drama für die Kommune. Hier kam Adolf Hitler am 20. April 1889 als Sohn der Dienstmagd Klara Pölzl zur Welt. In dem dreistöckigen Haus mit den vergitterten Fenstern im Erdgeschoss hat Hitler zwar nur wenige Monate gelebt, doch das reicht offensichtlich schon für eine pseudoreligiöse Aufladung der Immobilie. Denn die 17.000 Einwohner werden den Fluch der zufälligen Geburt des Diktators in ihrem Städtchen einfach nicht los. Dabei ist die NS-Vergangenheit Nürnbergs, der Stadt der Parteitage und Aufmärsche der Nazis bei weitem schlimmer als die Braunaus. Doch Nürnberg steht längst mehr für Christkindlmarkt und Lebkuchen, bei Braunau aber denken alle an Hitler.
Mitte Juli hatte die österreichische Regierung für einen Gesetzentwurf votiert, der das Haus in Staatsbesitz überführen soll. Konkret: Die Eigentümerin soll gegen Entschädigung enteignet werden. Rechtfertigen lässt sich das nur damit, Braunau und das Haus vor Pilgerfahrten der rechten Szene zu schützen. Derzeit ist der Staat Österreich Mieter des Objekts und das schon seit den frühen siebziger Jahren. Die aktuelle Monatsmiete beträgt knapp 5000 Euro. Bis 2011 nutzte eine Behindertenwerkstatt die Räumlichkeiten, doch seitdem steht das Haus leer. Im Mietvertrag steht ausdrücklich, dass das Gebäude nicht im "zeithistorischen Kontext" genutzt werden darf, also auch nicht als Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus.
Die Eigentümerin spielt in der Nutzungsfrage seit Jahrzehnten eine irritierende Rolle. Ursprünglich wollte sie wohl verkaufen, änderte dann aber ihre Meinung als politisch fragwürdige Kaufinteressenten vorstellig wurden. Nötige Renovierungen lehnte sie stets ab, Umbauten ebenso. Zudem gab es seit langem schon keinen Konsens darüber, wie denn nun das Objekt zukünftig genutzt werden soll. Die Vorstellungen reichten vom Abriss bis zur Errichtung einer Gedenkstätte. Bis das Wiener Innenministerium eine Kommission einsetzte, um über die Zukunft der heiklen Adresse final zu entscheiden.
Das verfluchte Haus
Der Nazi-Kult um Hitlers Geburtshaus reicht weit zurück. Schon 1938, direkt nach dem sogenannten Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich, erwarb Martin Bormann die Immobilie für die Partei. Bormann, Hitlers rechte Hand in der NSDAP, hatte unter Androhung von Enteignung 150.000 Reichsmark für das 500 Jahre alte Haus gezahlt. Es wurde unter Denkmalschutz gestellt und sollte ein nationalsozialistisches Kulturzentrum werden. Doch Hitler hatte kein Interesse an Zeugnissen seiner frühen Biographie. Er ließ systematisch alle Zeugnisse seiner kleinbürgerlichen Abstammung aus dem Verkehr ziehen. Stattdessen prangen noch heute die Initialen MB, für Martin Bormann auf dem schmiedeeisernen Gittertor des Stadthauses.
In den letzten Kriegstagen verhinderten amerikanische Soldaten die Sprengung des Eckhauses durch einen deutschen Stoßtrupp. Seitdem ist die Adresse immer mal wieder Versammlungsstätte alter wie junger Rechtsextremer und politisch ein Ärgernis für Stadt und Staat.
Rückkehr zur Normalität?
Gereizt reagieren die Braunauer seit langem schon auch auf politisch eher unverdächtige Touristen. Im Schnitt gehen pro Tag rund 50 Fremde an der Adresse vorbei, viele mit auffällig verstohlenen Blicken in Richtung des "bösen Hauses". Manche machen ein Selfie und verschwinden dann schnell, was etwas Klammheimliches hat. Andere kratzen etwas Putz von der Fassade ab. Hitler-Devotionalien, die nichts kosten. Selbst denen, die kommen, um zu sehen, wo Hitler in die Windeln gemacht hat, ist es offenkundig peinlich nach der Adresse zu fragen. Die Braunauer kennen das schon, wenn sich Besucher als Geschichtslehrer ausgeben, um ihrer Neugierde eine berufliche Legitimität zu geben.Ob demnächst an dem Platz des Hauses eine Feuerwehrwache, eine Sozialstation oder Schule stehen wird, ist noch völlig offen. Zumal es den Gesetzesbeschluss zur Enteignung noch nicht gibt, wie ein Sprecher des Innenministeriums mitteilte. Einigkeit besteht derzeit nur darüber, dem Ort die Aura des Bösen zu nehmen und wieder Normalität herzustellen. Das allerdings bleibt ein Wunsch, denn eines ist gewiss: Egal welche Bestimmung der Ort des Hauses zukünftig bekommt, die "New York Times", der "Guardian" und der "Figaro" werden darüber berichten.