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Amnesty: Initiative für afghanische Binnenflüchtlinge

Rodion Ebbighausen23. Mai 2013

Im neuen Menschenrechtsbericht von Amnesty International stehen Flüchtlinge und Migranten im Zentrum. Besonderes Augenmerk gilt der Lage in Afghanistan, erklärt AI-Sprecherin Polly Truscott.

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Polly Truscott (Amnesty International) zuständig für Südasien ins System einstellen. *** Pressebild, eingestellt im Mai 2013
Polly Truscott von Amnesty InternationalBild: Amnesty International

Deutsche Welle: Welchen Schwerpunkt hat der Menschenrechtsbericht von Amnesty International in diesem Jahr?

Polly Truscott: Unser Bericht konzentriert sich in diesem Jahr auf die Erfahrungen von Menschen, die ihren angestammten Lebensraum verlassen mussten. Unsere Recherchen zeigen, dass die Welt in mancherlei Hinsicht für Flüchtlinge, Arbeitsmigranten und Binnenflüchtlinge immer gefährlicher wird. Das gilt insbesondere für die Region Asien-Pazifik. Es ist eindeutig, dass die Rechte von Millionen von Menschen missachtet werden, die Konflikten und Verfolgung entkommen sind oder als Arbeitsmigranten bessere Lebensbedingungen suchen.

Viele Regierungen zeigen keinerlei Interesse daran, die Rechte von Migranten und Flüchtlingen zu schützen. Allein in Afghanistan, um ein Beispiel zu nennen, gibt es 500.000 Binnenvertriebene. Mehr als 2,7 Millionen Flüchtlinge sind aus dem Land geflohen.

Wie ist die Lage der Flüchtlinge in bzw. aus Afghanistan?

Pakistan hat erst vor kurzem zugestimmt, dass die dort lebenden Flüchtlinge nicht zurück nach Afghanistan geschickt werden. Das ist eine gute Nachricht, wenn man die außerordentlich unsichere Situation bedenkt, mit denen viele bei einer Rückkehr in ihr Heimatland konfrontiert wären.

Es gibt außerdem 500.000 Binnenflüchtlinge, die vor Konflikten oder Naturkatastrophen geflüchtet sind. Ihr Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildung ist nicht gewährleistet. Ein weiteres großes Problem sind die Wintermonate. Viele Menschen erfrieren oder sterben an Krankheiten, da es einfach zu wenig Unterstützung für die Binnenflüchtlinge gibt.

Es gibt aber auch gute Nachrichten. Die afghanische Regierung diskutiert derzeit einen Gesetzesentwurf über den Umgang mit Binnenflüchtlingen. Es soll geklärt werden, wer eigentlich ein Binnenflüchtling ist und welche Form der Unterstützung er oder sie bekommen soll. Wir hoffen wirklich, dass diese neue Politik schnell umgesetzt wird und sich damit die Lebenssituation der Binnenflüchtlinge verbessert.

Welche Punkte werden in dem Gesetzesentwurf behandelt?

Der erste Punkt ist die Definition dessen, wer eigentlich ein Binnenflüchtling ist. Es gibt viele Menschen die nicht als Binnenflüchtlinge anerkannt werden. Der offensichtliche Grund dafür ist, dass sich der Staat vor der Aufgabe drückt, ihre Rechte anzuerkennen und durchzusetzen.

Zweitens gibt es in Afghanistan ein großes Problem mit Zwangsräumungen. Viele Zwangsräumungen stehen nicht im Einklang mit internationalen Menschenrechtsstandards. Es gibt diese Standards, und der Prozess der Zwangsräumung sollte unbedingt nach diesen Standards durchgeführt werden.

Schließlich muss eine dauerhafte Lösung für die Binnenflüchtlinge gefunden werden. Nach Möglichkeit sollten die Flüchtlinge in ihre Heimat zurückkehren. Wenn das nicht möglich ist, weil ihre Häuser zerstört sind oder weil es immer noch zu gefährlich ist, sollte ihnen eine echte Alternative geboten werden. Das heißt, dass sie sich an ihrem neuen Ort auch wirklich dauerhaft integrieren können.

Wann erwarten Sie, dass dieser Gesetzesentwurf umgesetzt wird?

Wir hoffen in den nächsten Monaten. Es hängt davon ab, ob es in letzter Minute noch eine politische Debatte gibt. Hoffentlich kann das Gesetz durch das Kabinett verabschiedet werden ohne eine größere Debatte, die die Umsetzung verzögern würde.

Im Anschluss daran wird es natürlich die Aufgabe unter anderen von Amnesty International sein, den Umsetzungsprozess zu überwachen. Vor allem das Finanzministerium und das Ministerium für Flüchtlinge, aber auch die internationale Gemeinschaft müssen gewährleisten, dass das Gesetz angewendet wird, was viel Geld kosten und große technische Expertise erfordern wird.

Zu einem anderen Thema. Die NATO zieht ihre Truppen aus Afghanistan ab. Welche Folgen hat das für die Menschenrechtslage?

Eine offensichtliche Folge ist die, dass sich Frauen zurückziehen, die sich für die Menschenrechte einsetzen. Sie haben mit nachlassendem Schutz Angst vor Vergeltung. Es ist dabei nicht notwendigerweise so, dass die internationalen Truppen den Schutz gewährleistet haben, aber die Frauen fürchten, dass es mit dem Abzug des internationalen Militärs zugleich politische und finanzielle Einschnitte geben wird. Frauen und andere Kämpfer für Menschenrechte sind darauf angewiesen, dass ein kontinuierlicher Druck auf die afghanischen Behörden und Machthaber ausgeübt wird. Nur so ist gesichert, dass ihre Menschenrechte und die Menschenrechte der anderen respektiert werden.

Ein anderes Problem ist, dass es in den vergangenen Jahren eine Reihe von Menschenrechtsverletzungen durch die internationale Schutztruppe gegeben hat. Es ist zu befürchten, dass die noch ausstehenden Fälle nicht mehr aufgeklärt werden. Manchmal stehen Entschädigungsverfahren für Opfer noch aus oder die Strafverfolgungsbehörden haben mit ihren Untersuchungen noch gar nicht begonnen.

Ein letztes Problem der Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die nationalen afghanischen Kräfte ist, dass die Verantwortlichkeiten und Übergaberegelungen nicht effektiv sind. Die nationalen Sicherheitskräfte könnten alle Arten von Menschenrechtsverletzungen begehen, ohne eine Strafverfolgung befürchten zu müssen. Tatsächlich haben wir den letzten Jahren eine Zunahme von Folter durch die afghanische Polizei beobachten müssen.

Polly Truscott ist als Sprecherin von Amnesty International London für Südasien zuständig. Das Interview führte Rodion Ebbighausen.