AKP-Staaten und Europa vor der Scheidung?
14. Juni 2016Flucht, Klimawandel, Armut. Seit Montag debattieren Parlamentsabgeordnete aus Europa und insgesamt 79 Staaten aus Afrika, der Karibik und dem Pazifikraum in Namibias Hauptstadt Windhuk drängende Themen. "Die Partnerschaft zwischen der EU und den AKP-Staaten ist eine ganz besondere Erfahrung. Es gibt keine vergleichbare Institution, die eine so große Zahl von Staaten zusammenbringt", sagt der Gastgeber, Namibias Parlamentspräsident Peter Katjavivi, im DW-Gespräch.
Doch die besondere Partnerschaft könnte bald Vergangenheit sein. 2020 läuft das Abgekommen von Cotonou aus, das die Zusammenarbeit zwischen den AKP-Staaten und der EU bisher regelt. Wie es danach weitergeht: unklar. Für die AKP-Länder steht viel auf dem Spiel. Allein für die Zeit zwischen 2014 und 2020 bekommen sie 29 Milliarden Euro aus dem Europäischen Entwicklungsfonds. Zudem geht es um Zugänge zum europäischen Markt.
Partnerschaft ohne hohe Priorität
Die Zusammenarbeit mit den drei Kontinenten will auch die Europäische Union fortsetzen. Aber die AKP-Ländergruppe hat für Brüssel keine hohe Priorität mehr. Sie habe sich von einem "priviligierten zu einem eher marginalisierten Partner" der EU entwickelt, schreibt der niederändische Thinktank "European Center for Development Policy Management" in einer aktuellen Studie.
Drängende Fragen wie Massenflucht oder Terrorismus besprechen Europas Staats- und Regierungschefs direkt mit ihren afrikanischen Kollegen auf regelmäßigen Gipfeln, wie zum Beispiel Ende vergangenen Jahres in Malta. Europäische und Afrikanische Union haben längst ein eigenes Aktionsprogramm. Zudem gibt es ein eigenes Abkommen zwischen der EU und nordafrikanischen Ländern.
"Die Frage ist, ob es nicht effektiver ist, diese Strukturen in einen Rahmen zu überführen, in dem dann sowohl die Mittel aus dem Entwicklungsfonds enthalten sind, als auch das, was wir für die Partnerschaft mit Nordafrika tun und auch die Mittel, die derzeit in einem separaten, pan-afrikanischen Programm im EU-Haushalt stecken", sagt der CDU-Europaabgeordnete Michael Gahler. Er sitzt im gemeinsamen Ausschuss der Europa- und AKP-Parlamentarier und ist in Windhuk dabei.
Die AKP-Staaten driften auseinander
Wie es nach 2020 weitergeht - da sieht Gahler noch viele offene Fragen. Als die EU und die AKP-Staaten ihre Partnerschaft 1975 im ersten Lomé-Abkommen besiegelten, waren die Beziehungen relativ klar: Fast alle AKP-Staaten waren ehemalige Kolonien der EU-Mitgliedsländer. Sie hatten sich vor allem mit dem Ziel zusammengeschlossen, die wirtschaftlichen Verbindungen zur EU zu koordinieren.
Doch seit 1975 haben sich die Länder politisch und wirtschaftlich in verschiedene Richtungen entwickelt. Der Inselstaat Dominica in der Karibik bespielsweise hat ganz andere Herausforderungen als das afrikanische Binnenland Sambia. "Was haben der karibische oder der pazifische Raum heute noch mit Afrika unmittelbar zu tun, von der kolonialen Vergangenheit einmal abgesehen? Können wir mit diesen Ländern nicht separat etwas Zielgerichteteres machen?", fragt der CDU-Europarlamentarier Michael Gahler.
Streit um Wirtschaftspartnerschaftsabkommen
Auch die afrikanischen Staaten haben einiges an Diskussionsbedarf für die künftige Zusammenarbeit. Beispiel Wirtschaftspartnerschaften: Das Cotonou-Abkommen sieht vor, dass EU und afrikanische Staaten sich gegenseitig freie Marktzugänge für ihre Produkte einräumen.
Das gefällt vielen afrikanischen Staaten nicht. Sie fürchten, dass ein unkontrollierter Zustrom europäischer Waren die eigene Wirtschaft zerstören könnte. Zudem bedeutet der Wegfall von Einfuhrzöllen weniger Einnahmen für die klammen Staatshaushalte. Trotzdem drängte die EU auf den Abschluss der Abkommen - zum Ärger vieler afrikanischer Regierungen.
"Die Diskussion um die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen hat die Partnerschaft durchgeschüttelt", sagt Namibias Parlamentspräsident Peter Katjavivi. Trotzdem will er an der EU-AKP-Kooperation festhalten. Ob es die tatsächlich auch nach 2020 noch geben wird? Für die Debatte bleibt noch etwas Zeit: Offizielle Verhandlungen müssen beide Seiten erst Mitte 2018 beginnen.
Mitarbeit: Julia Hahn