Strafgerichtshof kritisiert
15. Juli 2008Der juristische Vorgehen des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs gegen Sudans Präsident Omar Hassan al-Baschir wegen Völkermord in Darfur stößt auf Kritik bei der Afrikanischen Union (AU). "Wenn Baschir angeklagt und gefangengenommen wird, ergibt sich ein Machtvakuum im Sudan", sagte Tansanias Außenminister Bernard Membe. Sein Land hat derzeit den AU-Vorsitz inne.
Haftbefehl beantragt
Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag, Luis Moreno-Ocampo, hatte am Montag (14.07.2008) einen Haftbefehl gegen Baschir beantragt. "Ich habe den Richtern heute Beweise dafür vorgelegt, die belegen, dass der sudanesische Präsident Omar Hassan al-Baschir Völkermord-Verbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in Darfur verübt hat", sagte er in Den Haag. Männer seien in Flüchtlingslagern von Baschirs Kräften getötet und Frauen vergewaltigt worden.
Der Strafgerichtshof kann dem Antrag auf Haftbefehl stattgeben, er kann Moreno-Ocampos Gesuch aber auch ablehnen oder weitere Fakten vom Chefankläger einfordern. Beobachter rechnen damit, dass sich das Verfahren möglicherweise über mehrere Monate hinzieht. Es wäre das erste Mal, dass das IStGH gegen einen amtierenden Staatschef vorgeht.
Sudan weist Vorwürfe zurück
Der Sudan warnte unterdessen vor einem Verfahren gegen Baschir. Die Anschuldigungen gegen Baschir trügen "den Anstrengungen der Regierung und der internationalen Gemeinschaft" für einen Frieden in der Krisenprovinz nicht Rechnung, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in der Hauptstadt Khartum. Baschir selbst verteidigte sich am Montagabend im nationalen Fernsehen. "Wer auch immer Darfur besucht hat, wird wissen, dass all diese Dinge Lügen sind", sagte er zu den Vorwürfen von Ankläger Luis Moreno-Ocampo. Außerdem wies er darauf hin, dass der Sudan den Internationalen Strafgerichtshof nicht anerkannt habe.
Nach Schätzungen internationaler Organisationen kamen in Darfur rund 200.000 Menschen ums
Leben. Seit 2003 kämpfen in der sudanesischen Provinz Rebellenorganisationen gegen Reitermilizen und die sudanesische Armee. Nach jüngsten Schätzungen der Vereinten Nationen könnten sogar bis zu 300.000 Menschen an Krieg, Hungersnöten und Krankheiten gestorben sein.
UN erhöhen Sicherheitsvorkehrungen
In diplomatischen Kreisen der UN gibt es nun Befürchtungen, es könne zu Racheakten der sudanesischen Streitkräfte an den rund 10.000 Friedenssoldaten der Vereinten Nationen und der Afrikanischen Union in Darfur kommen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief den Sudan dazu auf, die Sicherheit der Blauhelmsoldaten und anderer UN-Mitarbeiter in dem Land zu gewährleisten. Die Vereinten Nationen würden ihren Einsatz "unparteiisch und zuverlässig" fortsetzen, sagte Ban. Dennoch erhöhte die gemeinsame Mission aus Truppen der UNO und der Afrikanischen Union (UNAMID) die Sicherheitsstufe für ihre Mitarbeiter in Darfur. Nicht dringend benötigtes Personal soll aus der Krisenregion abgezogen werden.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International würdigte das Vorgehen des Strafgerichtshofs als "bedeutenden Schritt". Auch EU-Entwicklungskommissar Louis Michel sagte, es sei an der Zeit, "der Straflosigkeit, die die in Darfur begangenen Verbrechen umgibt, ein Ende zu setzen".
EU fordert Friedenslösung
Vorsichtiger äußerte sich die französische EU-Ratspräsidentschaft. Der Darfur-Konflikt müsse diplomatisch gelöst werden, die Friedensvereinbarung müsse umgesetzt werden, teilte die französische EU-Ratspräsidentschaft am Montag in Paris mit. Auf eine Bewertung des Antrags auf Haftbefehl gegen Baschir wurde dabei verzichtet: Die EU habe die Erklärung des Chefanklägers Luis Moreno-Ocampo zur Kenntnis genommen, erklärte die französische
EU-Präsidentschaft. Jetzt sei es Sache der Richter, über die Folgen zu entscheiden.
Unterdessen hat China einen Bericht des britischen Senders BBC zurückgewiesen, wonach Peking dem Sudan trotz des UN-Verbots Waffen geliefert habe. "Der Report ist stark verzerrend", sagte der chinesische Sondergesandte für Darfur, Liu Guijin, nach Angaben der Zeitung "China Daily" vom Dienstag. China habe das Embargo nicht gebrochen, außerdem seien die Waffenverkäufe "sehr gering im Umfang" gewesen. An nicht-staatliche Gruppen seien überhaupt keine Waffen verkauft worden. Laut "China Daily" kamen zwischen 2003 und 2007 nur acht Prozent der Waffenimporte des Sudan aus China. (det)