Papst Franziskus erwärmt afrikanische Herzen
29. November 2013Für den Erzbischof von Kaduna in Nigeria ist die jüngste Botschaft von Papst Franziskus "herzerwärmend". Mit seinem Apostolischen Schreiben "Evangelii Gaudium" rufe der Heilige Vater "die Kirche zu ihren Wurzeln zurück, wo sie hingehört: zum Dienst an den Armen", schwärmt Erzbischof Matthew Ndangoso. Allerdings biete das erste theologische Schreiben des neuen Papstes mehr als nur warme Worte für die Gläubigen etwa in Nigeria. Die Ortskirchen in Afrika, so Ndangoso, könnten konkret von der angekündigten Dezentralisierung profitieren. Wenn Aufgaben und Entscheidungen von der Kurie in Rom künftig auf die Kirchenvertreter in den einzelnen Ländern übertragen würden, "dann wird die Botschaft des Evangeliums ohne Zweifel besser bei unseren Zeitgenossen ankommen", sagt Bischof Ndangoso.
Franziskus hatte sein erstes Apostolisches Schreiben mit dem Titel "Evangelii Gaudium" (deutsch: Die Freude der Evangelien) am Dienstag (26.11.2013) veröffentlicht. Auf rund 180 Seiten fordert er von den Katholiken Bescheidenheit und warnt vor Materialismus. Mit deutlichen Worten kritisiert der Papst das vorherrschende kapitalistische Wirtschaftssystem, das zu Ungleichheit und Unterdrückung führe. Zudem kündigt er Reformen für die Kirche an, die die Bürokratie abbauen und sich wieder mehr der Mission widmen solle.
Spenden für die, die noch weniger haben
Für Pater Moses Asaah Awinongya aus Ghana ist die wichtigste Errungenschaft Franziskus', dass die "Gläubigen die Solidarität eines Menschen erleben, der eigentlich in einer Überflussgesellschaft lebt". Das, so erklärt der Theologiedozent an der Hochschule der Steyler Missionare im rheinischen Sankt Augustin, sei ein Signal für die Armen, aber auch eine eindringliche Mahnung an "die Menschen in Afrika, die Geld haben, aber vielleicht nichts tun". Jüngst hätten Gemeinden in seiner Heimat etwa Spenden gesammelt für die Opfer des verheerenden Taifuns Haiyan auf den Philippinen. "Das zeigt, wie die Botschaft von Papst Franziskus und sein Lebensstil rüberkommen."
Besonders nehmen viele Afrikaner wahr, dass Papst Franziskus mehr fordert, als für die Armen zu spenden. "Es gibt einen Unterschied zwischen 'den Armen helfen' und 'selbst arm sein'", erklärt Lopez Filomeno vom portugiesischen Programm von Radio Vatikan, das sich unter anderem an Hörer in den portugiesisch-sprachigen Ländern Afrikas wendet, wie Angola und Mosambik. "Man soll zumindest im Geiste arm sein, so dass man fühlt, was die Armen fühlen. Denn sie brauchen nicht einfach unsere Hilfe, sie brauchen Leute, die bei ihnen sind. Und der Papst fordert die Kirche auf, arm zu sein."
Gläubige haben Bedenken
Während diese radikale Botschaft verbunden mit Franziskus' betont einfachem Lebensstil in Europa meist begeistert aufgenommen wird, müsse sie in Afrika den Menschen ausführlich erklärt werden, sagt Pater Moses Awinongya. "Wenn ein Kind, das kein Frühstück bekommen hat, bevor es in die Schule gegangen ist, und auch kein Mittagessen bekommt, hört, die Kirche soll arm sein, dann wird das Kind fragen, ob das bedeutet, dass auch die Kirche es nicht schafft, dafür zu sorgen, dass wir ein Dach über dem Kopf und ausreichend zu essen haben", erläutert Awinongya die Bedenken der Gläubigen in Afrika. Die Armut, die Franziskus meine, sei jedoch Einfachheit und Gottvertrauen und dürfe nicht als Bedürftigkeit missverstanden werden.
Auch wenn die katholischen Gläubigen in Afrika insgesamt angetan sind von Franziskus' Botschaft, haben sie auch Wünsche an den Papst. Kritik an der unverändert konservativen Haltung der Kirche zu Themen wie Homosexualität, Abtreibung oder zur Zulassung von Frauen zum Priesteramt spielten in Afrika keine so große Rolle wie in Europa, sagt Awinongya. Allerdings würden die afrikanischen Geistlichen genau registrieren, dass Franziskus beim Umgang etwa mit Homosexuellen zu Pragmatismus aufrufe und dazu, keinem Gläubigen Sakramente wie Taufe und Kommunion vorzuenthalten. In Ghana komme es etwa vor, dass jemand in die Kirche eintreten und sich taufen lassen möchte, aber bereits gemäß traditionellen religiösen Vorstellungen zwei oder drei Frauen hat. "Nun dürfen diese Männer nicht getauft werden, oder aber sie müssen zwei ihrer Frauen wegschicken. Das sind Themen, mit denen die Priester in Afrika zu tun haben", sagt Awinongya. Allerdings fänden solche Themen - anders als die europäischen Bedenken - bislang in Rom kaum Gehör.