Ai: "An die Menschen in Gefängnissen denken“
23. Mai 2013DW.DE: Ai Weiwei, herzlichen Glückwunsch! Sie sind vom Künstler zum Rockstar geworden. Warum nennen Sie Ihre erste Single "Dumpfbacke"?
Ai Weiwei: China befindet sich im Zeitalter der Dumpfbacken. Es sind unterschiedliche Dumpfbacken, einschließlich meiner Wenigkeit. Manche Dumpfbacken sind intelligent, manche fintenreich, manche kindlich, die anderen wiederum gelangweilt. Dieses Lied ist dem gegenwärtigen Zeitalter in China gewidmet.
Was meinen Sie damit konkret?
In den letzten Jahren wird im Internet heftig darüber diskutiert, ob sich China verändern wird, und wenn ja, wie. Viele Menschen büßten für ihre freie Meinungsäußerung und für ihre Wertevorstellungen ihre Freiheit ein. Gesundheitlich geht es ihnen sehr schlecht. Sie wissen, dass die Haftbedingungen in China nicht optimal sind. Ich hoffe, dass alle, die meine Musik genießen, auch an die Menschen in Gefängnissen denken.
Sie haben nicht unbedingt die schönsten Worte gesungen…
Ob das Musikvideo schön ist oder nicht, das überlasse ich den Kritikern. Ich artikuliere mich durch Kunst und Musik. Wir Menschen haben die Organe dazu und machen auch davon Gebrauch - das liegt im Gesetz der Natur. Ich finde meine Musik nicht schön. Darin ist viel Leiden und viel Schmerzen enthalten, natürlich auch viel Wut. An solchen Emotionen ist in China kein Mangel.
Ist die Musik das richtige Mittel, um diesem Ärger Luft zu machen?
Eigentlich nicht. Der Musik will ich ihre eigentliche Natur wiedergeben. Musik ist kein Widerstand, Musik ist Liebe. In meiner Musik wird nur von Liebe gesprochen, von Liebe zur Welt, zur Menschlichkeit und von Verständnis für unsere Situationen. Wer Musik nur als Instrument des Widerstands versteht, hat sie unterschätzt. Musik kann die hohen Mauern durchdringen und den Lügen und die Brutalität des autoritären Regimes etwas entgegensetzen.
Ai Weiwei ist der namhafteste oppositionelle Künstler Chinas. 2011 war er für 81 Tage an einem unbekannten Ort festgehalten. Später wurde er wegen Steuerdelikten zu einer Geldstrafe verurteilt.