Fliegt Niki als erste davon?
21. August 2017"Ich schließe nicht aus, dass es schon erste Ergebnisse geben könnte", sagte der zuständige Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Matthias Machnig, den Zeitungen des Redaktions-Netzwerks Deutschland. Gemeint war die erste Sitzung des Gläubigerausschusses von Air Berlin und dabei die Position der Konzern-Tochter Niki. Seit Tagen werde eine Absichtserklärung zum Verkauf der österreichischen Air-Berlin-Tochter Niki an die Lufthansa vorbereitet, berichtete die "Süddeutsche Zeitung" vorab aus ihrer Mittwochausgabe ohne Angabe von Quellen.
Neben der Lufthansa gelten Easyjet, TUI und der Reisekonzern Thomas Cook mit seiner Tochter Condor als Interessenten für Teile von Air Berlin und die österreichische Niki. Insider hatten der Nachrichtenagentur Reuters vergangene Woche gesagt, dass die Lufthansa bis zu 90 der 140 Flugzeuge von Air Berlin übernehmen will, darunter 21 Flugzeuge von Niki. Der Reisekonzern Thomas Cook hatte erklärt, er und seine Tochter Condor stünden für eine "aktive Beteiligung an der Zukunft von Air Berlin bereit". Die Fluglinie Tuifly des weltgrößten Reisekonzerns Tui ist an einer Lösung für die Flugzeuge und Besatzungen interessiert, die sie seit Jahren an Air Berlin und inzwischen an deren Tochter Niki verleast hat.
Noch am Montag hatte ein Sprecher der Lufthansa zum Stand der Dinge im Poker um Air Berlin gesagt: "Es gibt noch nichts Spruchreifes". Mittlerweile aber wird klar, dass die Bemühungen um die Zukunft der Airline, an deren Teile die Lufthansa und weitere Fluglinien interessiert sind, zu einem Wettlauf gegen die Zeit werden könnten. Denn nur so lange Air Berlin noch weiter fliegt, können ihre Start- und Landerechte (Slots) an neue Eigentümer übertragen werden, wenn diese Teile von Air Berlin übernehmen.
Sollte Air Berlin das Geld wegen rapide sinkender Buchungszahlen ausgehen, könnte der Flugbetrieb eingestellt werden. Dann würden die Karten ganz neu gemischt und die Slots kostenlos neu verteilt, statt zu Geld für die Gläubiger gemacht werden.
Bundesregierung in der Kritik
Die Bundesregierung versuchte Anfang der Woche erneut dem Eindruck entgegenzutreten, sie ergreife Partei für die Lufthansa als neuen Eigentümer von Air Berlin. "Wir sind weder für noch gegen einen bestimmten Interessenten", betonte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums in Berlin. Ziel sei eine Lösung, die sowohl dem Kartellrecht Rechnung trage als auch die Mitarbeiter von Air Berlin im Blick habe.
Nach Verkehrsminister Alexander Dobrindt hatte sich auch Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries für den Marktführer ausgesprochen. "Ich würde es begrüßen, wenn die Lufthansa größere Anteile von Air Berlin übernimmt", sagte sie gegenüber der Zeitung "Handelsblatt". "Die Lufthansa ist ein Champion im Luftverkehr - ihre Position kann jetzt aber noch gestärkt werden."
Aus kartellrechtlichen Gründen könne Air Berlin nicht an nur eine Airline gehen. Außer der Lufthansa gelten die britische Billiglinie Easyjet, Tuifly sowie die Thomas-Cook-Tochter Condor als aussichtsreichste Kandidaten. Eine Komplett-Übernahme durch den Nürnberger Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl lehnt der Bund ab. Wöhrl kritisierte, die große Koalition "sorgt mit Steuergeldern nicht für mehr Wettbewerb, sondern schafft ein Monopol". Die Bundesregierung hatte Air Berlin kurz vor dem Insolvenzantrag in der vergangenen Woche einen Brückenkredit in Höhe von 150 Millionen Euro gewährt. Das rügte besonders die irische Billigfluglinie Ryanair als Wettbewerbsverzerrung.
In einem anderen Punkt bekam Zypries Gegenwind aus dem Finanzministerium. Sie setzte sich im Handelsblatt dafür ein, die 2011 eingeführte Luftverkehrssteuer wieder abzuschaffen. Ihre Begründung: "Sie benachteiligt einseitig deutsche Luftverkehrsunternehmen." Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums entgegnete, es bestehe nicht die Absicht, die Steuer zu streichen. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) begrüßte den Vorstoß von Zypries. BDL-Präsident Stefan Schulte sagte dem Handelsblatt: "Die Abschaffung der Luftverkehrssteuer würde die Wettbewerbsverzerrung zu Lasten deutscher Fluggesellschaften und Flughäfen deutlich reduzieren."
Landen nur noch gegen Vorkasse in Genf
Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann hatte eine Lösung bis Ende September in Aussicht gestellt. Doch wie lange der 150-Millionen-Euro-Kredit der Bundesregierung reicht, ist fraglich. Entscheidend hierfür sei, wie schnell die Buchungszahlen von Air Berlin sänken - und die Verluste damit wüchsen, sagte ein Insider. Falls das Geld schneller ausgehe, drohten Teile von Air Berlin die Betriebserlaubnis zu verlieren. Zudem müsse man sich auf Störfeuer gefasst machen.
Am Flughafen Genf, so das Handelsblatt, können Air Berlin-Jets seit kurzem nur noch gegen Vorkasse landen. Wenn das Beispiel der Schweizer Flughafenmanager, die offenbar einen Zahlungsausfall befürchten, Schule macht, wird die Luft noch dünner für Air Berlin.
Der Konkurrent Ryanair hat bereits Beschwerde gegen die Staatshilfe eingelegt und hält das Vorgehen der Bundesregierung für ein "abgekartetes Spiel" zu Gunsten der Lufthansa. Gegenwind droht auch von den Gewerkschaften. Denn die Lufthansa würde Personal von Air Berlin nur zu den etwas niedrigeren Konditionen ihrer Billigflugtochter Eurowings übernehmen.
Ein Verkauf der insolventen Fluggesellschaft ist nur mit Zustimmung des Gläubigerausschusses möglich. Das Gremium, das die Interessen der Gläubiger vertritt, tagt Insidern zufolge am Mittwoch das erste Mal. Weichenstellungen seien dann aber noch nicht zu erwarten, sagten zwei mit dem Zeitplan vertraute Personen gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Das fünfköpfige Gremium muss formal beschließen, den Betrieb von Air Berlin zunächst weiterzuführen.
Dem Gläubigerausschuss gehört neben einem Vertreter von Air Berlin, der Bundesagentur für Arbeit, die drei Monate lang das Insolvenzgeld für die 7200 Mitarbeiter in Deutschland zahlt, und der Commerzbank auch ein Geschäftsführer der Lufthansa-Tochter Eurowings an. Eurowings hat 38 Maschinen mit Besatzungen von Air Berlin gemietet und vorfinanziert und wäre deshalb von einer Einstellung des Flugbetriebs stark betroffen.
tko/ar/uh (rtr, dpa)