Al-Sadr-Anhänger dringen wieder ins Parlament ein
30. Juli 2022Tausende Anhänger des einflussreichen schiitischen Geistlichen Muktada al-Sadr sind in der irakischen Hauptstadt Bagdad auf die Straße gegangen. Aufgebrachte Demonstranten drangen dabei ein weiteres Mal in das Parlamentsgebäude ein, wie die staatliche Nachrichtenagentur INA meldet. Die Demonstranten rissen Betonbarrieren nieder und warfen Steine. Sie fordern eine Regierung frei von ausländischem Einfluss und Korruption.
Nach Angaben von Zeugen hatten Sicherheitskräfte versucht, die Menge an der hoch gesicherten Grünen Zone mit Tränengas zurückzudrängen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden mindestens 125 Menschen verletzt. Im Fernsehen forderte der amtierende Regierungschef Mustafa al-Kadhemi die politischen Blöcke dazu auf, "sich hinzusetzen, um zu verhandeln und sich zu einigen". Seit den vorgezogenen Parlamentswahlen im Oktober beschränkt sich die amtierende Regierung darauf, die laufenden Geschäfte abzuwickeln.
In der rund zehn Quadratkilometer großen Grünen Zone im Zentrum Bagdads befinden sich zahlreiche Regierungseinrichtungen, darunter das Parlament sowie mehrere Botschaften wie die diplomatische Vertretung der USA. Bereits am Mittwoch waren Unterstützer von al-Sadr in diesen Bereich vorgedrungen und hatten das Parlament gestürmt.
Schiiten gegen Schiiten
Sie demonstrierten unter anderem gegen die Nominierung des ehemaligen Ministers Mohammed Schia al-Sudani für das Amt des Regierungschefs. Dieser war von Ex-Ministerpräsident Nuri al-Maliki und dessen Allianz vorgeschlagen worden, die mit dem Nachbarland Iran sympathisiert. Beide schiitischen Lager betrachten sich als Gegner.
Im Irak tobt seit der Parlamentswahl vom Oktober ein Machtkampf. Al-Sadrs Liste hatte damals die meisten Sitze gewonnen und bemühte sich um eine Regierungsbildung. Zuletzt trat er jedoch mit seiner Partei geschlossen aus dem Parlament zurück. Einige Beobachter deuten dies als Schachzug, um andere Parteien unter Druck zu setzen. Viele Iraker haben nur noch wenig Vertrauen in die Politik, nachdem das ölreiche Land seit Jahren mit wirtschaftlichen und politischen Krisen zu kämpfen hat.
se/jj/kle (dpa, ap, afp, rtr)