1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Alarm nach ARD-Doping-Enthüllungen

3. August 2015

Dem Weltverband IAAF wird vorgeworfen, eine große Zahl von Leichtathleten mit dopingverdächtigen Blutwerten nicht sanktioniert zu haben. Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA fordert nicht zum ersten Mal Aufklärung.

https://p.dw.com/p/1G8mA
Symbolbild Leichtathletik Laufen (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/B. Thissen

Hochbrisante Doping-Vorwürfe gegen den Leichtathletik-Weltverband IAAF haben weltweit Entsetzen und Empörung ausgelöst. Eine große Zahl von Blutproben mit verdächtigen Werten soll von der IAAF geheim gehalten und nicht sanktioniert worden sein. Von Zuständen wie vor 20 Jahren im damals hochgradig Doping-verseuchten Radsport ist die Rede. "Das ist sehr alarmierend. Wir sind verstört über das Ausmaß der wilden Anschuldigungen. Das Fundament eines jeden sauberen Athleten weltweit wird erneut erschüttert", sagte Craig Reedie als Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA am Rande der 128. Session des Internationalen Olympischen Komitees in Kuala Lumpur.

"Geheimsache Doping"

Symbolbild Doping (Foto: Andreas Franke)
Bild: picture alliance/Andreas Franke

Gut drei Wochen vor der WM in Peking steht die Leichtathletik inmitten einer großen Glaubwürdigkeitskrise. Die ARD und die "Sunday Times" hatten eine Liste mit 12.000 Bluttests von rund 5000 Läufern ausgewertet. Sie stammen nach ARD-Angaben aus der IAAF-Datenbank. Darunter sollen 800 Sportler - darunter nach Informationen des Anti-Doping-Experten Fritz Sörgel auch deutsche Athleten - mit dopingverdächtigen Werten sein, die von 2001 bis 2012 bei Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften in den unterschiedlichsten Disziplinen von 800 Meter bis zum Marathon gestartet sind. Ein Großteil dieser Athleten, darunter angeblich 146 olympische Medaillengewinner und Weltmeister, sei dafür nicht belangt worden.

"Nur gegen ein Drittel von ihnen läuft ein Verfahren oder sie sind bereits gesperrt. Die restlichen zwei Drittel sind nie überführt worden", hieß es in einer Mitteilung von ARD und WDR, die darüber in der Dokumentation "Geheimsache Doping: Im Schattenreich der Leichtathletik" berichteten. Jeder dritte auf der Liste aufgeführte Athlet mit dopingverdächtigen Blutwerten habe eine Medaille gewonnen. Bei jedem sechsten Medaillengewinner sei sich mindestens einer der Wissenschaftler sogar so gut wie sicher, dass der Athlet im Laufe seiner Karriere gedopt hat. Namen von Athleten wurden allerdings nicht genannt.

Schaute IAAF weg?

Der australische Doping-Experte Michael Ashenden im Porträt (Foto: Change Cycling Now / Gerry McManus / www.splitsecondimages.co.uk)
Heftige Kritik: Doping-Experte Michael AshendenBild: Gerry McManus

Der Weltverband hat offenbar weggeschaut. "Der Verband hätte eigentlich sehen müssen, wie die schreckliche Wahrheit unter der Oberfläche aussah", kritisierte der australische Doping-Experte Michael Ashenden die Anti-Doping-Politik der IAAF. "So ist es meiner Meinung nach eine schamlose Vernachlässigung ihrer elementaren Pflicht, ihren Sport zu überwachen und die sauberen Athleten zu schützen." Für ihn sehe es so aus, dass die Leichtathletik heute in der gleichen "teuflischen Situation" sei wie der Radsport vor 20 Jahren.

Die IAAF wies zunächst jede Kritik am Ergebnismanagement zurück und betonte, methodisch verlässlich zur Feststellung von Doping seien ausschließlich Analysen, die den strengen Testanforderungen des Biologischen Passes für Athleten folgten. "Jeder andere Ansatz, insbesondere das Nutzen von Daten, die über einen längeren Zeitraum zu verschiedenen Zwecken, unterschiedlichen Zielen und mit unterschiedlichen Analysemethoden erfasst wurden, ist nichts als Spekulation", hieß es in einer IAAF-Stellungnahme.

Später kündigte Leichtathletik-Weltpräsident Lamine Diack eine eingehende Prüfung der Doping-Vorwürfe gegen seinen Verband an. "Wir werden uns mit dem Problem auseinandersetzen. Das sind zunächst aber Vorwürfe und Behauptungen", sagte der Senegalese auf der IOC-Vollversammlung in Kuala Lumpur. Hinter der ARD-Dokumentation wittert Diack jedenfalls nur eine Verschwörung. Die Vorwürfe seien eine "gezielte Kampagne, um die Medaillen neu vergeben zu können". Er betonte, sein Verband sei ein Vorreiter im Anti-Doping-Kampf und habe schon 1993 eine vierjährige Sperre für Doping-Vergehen gefordert. "Da waren wir der einzige Verband, der das gefordert hat", sagte Diack, dessen Amtszeit am 19. August nach der Neuwahl eines IAAF-Präsidenten in Peking enden wird.

Von Gelassenheit bis "Null-Toleranz"

Pharmakologe Fritz Sörgel bei der Arbeit (Foto: Daniel Karmann/dpa)
Pharmakologe Fritz Sörgel: keine ÜberraschungBild: picture-alliance/dpa/D. Karmann

Nicht sonderlich irritiert von den in dem ARD-Bericht genannten Zahlen zeigte sich der Anti-Doping-Experte Sörgel. "Es überrascht doch niemanden, dass da so viele Leichtathleten verdächtige Werte haben, wenn man auch alle Werte aus der Zeit vor der Einführung des Blutpasses einbezieht. Die Daten sind von großer, fast historischer Bedeutung", sagte Sörgel der dpa. "Wegen der Menge und weil sie aus einer Zeit des fröhlichen, unbeschwerten Blutdopings stammen. Sie werden helfen, die Zuverlässigkeit des Blutpasses zu erhöhen. Solche Daten kriegt man doch im Zeitalter des geschickten Mikrodosierens nicht mehr", fügte Sörgel hinzu.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) will handeln, wenn die Vorwürfe gegen eine große Zahl von Leichtathleten auch Olympia-Ergebnisse betreffen sollten. "Wenn es Fälle im Zusammenhang mit den Olympischen Spielen geben wird, werden wir sie mit unserer Null-Toleranz-Politik ahnden", erklärte IOC-Präsident Thomas Bach auf der Vollversammlung der Ringe-Organisation in Kuala Lumpur. "Im Moment haben wir aber nur Vorwürfe und es gilt das Prinzip der Unschuldsvermutung für die Athleten." Das IOC wolle nun abwarten, zu welchen Ergebnissen die Untersuchung der Welt-Anti-Doping-Agentur kommen werde.

Mehrarbeit für WADA

Die WADA hatte bereits eine Kommission unter der Führung ihres früheren Präsidenten Richard Pound mit der Aufklärung der Anschuldigungen gegen die IAAF beauftragt. Sie war schon Anfang des Jahres gebildet worden, um die ebenfalls in einer ARD-Doku erhobenen Vorwürfe eines systematischen Dopings in Russland zu untersuchen. "Ich hatte gehofft, den Bericht im September fertig zu haben. Nun sieht es so aus, als wenn es noch etwas länger dauert", sagte Pound.

ck/sw (dpa)