Die Frage nach Chinas Militäretat
2. März 2018Fu Ying ist eine erfahrene Diplomatin. Sie war Chinas Botschafterin in den Philippinen, Australien und in Großbritannien, später Vizeaußenministerin. Ihre diplomatische Erfahrung brachte sie in den vergangenen fünf Jahren als Pressesprecherin des Nationalen Volkskongresses (NVK) zur Geltung, insbesondere am Tag vor der Eröffnung des chinesischen Scheinparlaments, wenn es darum geht, kritische Fragen zu entschärfen. Sie verteidigte die Parteipositionen immer mit einem Lächeln.
Wie zum Beispiel die Frage nach den Rüstungsausgaben, die immer auf der Pressekonferenz vor der Eröffnung gestellt wird, und zwar nur von ausländischen Journalisten, als wäre die inländische Presse daran gar nicht interessiert.
Ungefähre Prozentangaben als Appetithappen
Die Standardantwort lautete bisher wie immer: "Ich kann nicht viel dazu sagen." Die offiziellen Zahlen über den einzelnen Haushaltsposten würden auf der Eröffnung vorgestellt. Aber Fu rückte dann doch immer noch etwas heraus. "Ich kann Ihnen eine grobe Schätzung geben", sagte sie zum Beispiel im Jahr 2015. "Im Haushaltsentwurf wird ein Zuwachs von etwa zehn Prozent vorgeschlagen."
2016 sagte sie: "Die ausländische Presse will immer Zahlen haben, so früh wie möglich. Falls ich diese vorzeitig verrate, wäre es wie ein Fehlstart im Sprintrennen. Falls ich nichts dazu sage, würden Sie mir das aber übelnehmen. Also noch eine ungefähre Angabe von mir: zwischen sieben und acht Prozent."
Gegenfrage zum Zwei-Prozent-Ziel der NATO
Für Verteidigung gab China 2017 zum ersten Mal mehr als eine Billion Yuan (ca. 150 Milliarden Euro) aus. Das ist etwa ein Viertel der US-Ausgaben, aber das Hundertfache im Vergleich zu 1978 und entspricht 45 Prozent der gesamten Ausgaben im deutschen Haushalt 2017. Da allerdings auch Chinas Wirtschaft schnell wächst, macht dieser Posten nur knapp 1,3 Prozent der gesamten Wirtschaftsschöpfung aus. (Siehe Infografik)
"Das Niveau von 1,3 Prozent ist in vielen vergangenen Jahren stabil geblieben" sagte Fu auf der Pressekonferenz zur NVK-Eröffnung vor einem Jahr und erzählte dazu noch eine Anekdote aus Deutschland.
"Ich komme gerade von der Münchner Sicherheitskonferenz zurück. Die NATO haben ihre Mitglieder aufgefordert, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Rüstung auszugeben. Wurden Sie von der Aufforderung verunsichert? Wollen Sie der NATO nicht die Frage stellen, was sie damit bezweckt?" Und dabei wie immer ein charmantes Lächeln als ihr Markenzeichen.
Militärische Großprojekte
Diverse Anzeichen sprechen dafür, dass Chinas Militärausgaben weiter steigen werden. Am Mittwoch sickert eine Meldung des staatlichen Marineschiffsherstellers CSIC durch, dass möglicherweise schon 2025 der erste Flugzeugträger mit Nuklearantrieb in Dienst gestellt wird. Das hieße, dass mit dem Bau nun jetzt begonnen werden müsste. China hatte schon einen ehemaligen sowjetischen Flugzeugträger umgebaut und 2012 in Dienst gestellt. Ein weiterer mit konventionellem Antrieb wurde 2017 zu Wasser gelassen. Bisher verfügen nur die USA (zehn) und Frankreich (einen) über atomar angetriebene Flugzeugträger. Der Aufstieg Chinas in diesen elitären Kreis würde Prestige der Nation und der KP steigern. Staatspräsident Xi Jinping will die "Wiedererstarkung der chinesischen Nation" als Verfassungsziel festschreiben lassen. Auch darüber wird auf der NVK-Sitzung beraten.
Auch bei anderen kostenträchtigen Waffensystemen geht China voran und könnte sogar einen strategischen Vorteil gegenüber dem Westen erlangen. So könnte China laut "Economist" (der sich auf die jüngste Ausgabe von "The Military Balance" des IISS bezieht) binnen zwei Jahren das amerikanische Monopol auf Kampfflugzeuge mit Tarnkappen-Technologie ("stealth fighter") brechen. Die chinesische Maschine des Typs Chengdu J-20 soll sogar eine größere Reichweite als das amerikanische Gegenstück, die F-35, haben, und damit potentiell eine ernsthafte Bedrohung der US-Marine im Pazifik darstellen.
Aber zurück zu der charmanten "Andeuterin" chinesischer Militärausgaben: Ob die 65-jährige Fu diese Funktion auch am Sonntag ausüben wird, ist unklar. Sie hat nämlich das Rentenalter erreicht.