Alle reden über die Linken
31. August 2009Im Osten Deutschlands kämen rot-rote Bündnisse - also Koalitionen aus Sozialdemokraten und Linkspartei - rechnerisch infrage. Sie wären auch nichts Neues. Nach den Landtagswahlen vom 30. August 2009 sind solche Koalitionen nun aber - rein rechnerisch und unter Beteiligung der Grünen - auch im Westen möglich.
Derweil beteuert die SPD, eine Regierungsbeteiligung der Linken in der Bundespolitik in Berlin käme auf keinen Fall infrage. Diese Festlegung aber wird insbesondere von den Freien Demokraten angezweifelt.
Die Sonderrolle der Linken in Deutschland
Was in anderen Ländern des früheren Ostblocks normal ist, nämlich auch von wie auch immer gewendeten ehemaligen Kommunisten regiert zu werden, war und ist in Deutschland aus geschichtlichen Gründen anders. Hier waren die Kommunisten jene, die - ob zu Recht oder zu unrecht - alleine für die deutsche Teilung verantwortlich gemacht wurden.
Trotzdem waren sie im Osten, also auf dem Gebiet der ehemaligen DDR, schon in den 90er-Jahren erfolg- und einflussreich. In Sachsen-Anhalt duldeten sie eine sozialdemokratische Minderheitsregierung. In Mecklenburg-Vorpommern koalierten die beiden Parteien sogar. In Berlin, wo bis 1989 die Mauer stand, gibt es seit 2001 ein rot-rotes Bündnis. Was es noch nicht gab, ist ein Ministerpräsident der Linken, den die Partei in Thüringen aber beansprucht, weil sie dort mit rund 27 Prozent wesentlich stärker ist als die SPD mit 18. Dennoch bleibt der SPD-Bundesvorsitzende Franz Müntefering bei seiner Haltung: "Wir werden Linke nicht zu Ministerpräsidenten wählen."
Sozialdemokraten, egal ob im Osten oder im Westen, sehen sich nach wie vor als die wahren Linken, gewissermaßen das Original. Historisch trifft das auch zu. Allerdings haben sich seit Ende der 90er Jahre zahlreiche ehemalige SPD-Politiker den Ex-Kommunisten angeschlossen, weil sie die Wirtschafts- und Sozialpolitik der SPD für neoliberal halten.
Westdeutscher will im Osten Regierungschef werden
Im ostdeutschen Thüringen will der aus dem Westen stammende Spitzenkandidat Bodo Ramelow Regierungschef in einer rot-roten Koalition werden. Die Linken seien wesentlich stärker als die SPD. Ramelow verweist zudem darauf, dass er persönlich in der Landeshauptstadt Erfurt das Direktmandat gewonnen hat. "Ich habe die Kraft, die von der Bevölkerung ausgeht. Und diesen Wähler-Auftrag werde ich voller Energie umsetzen.", hofft Ramelow auf ein Einlenken der SPD.
Mit den Erfolgen der Linken müssen sich auch die Konservativen auseinandersetzen. Die CDU-Vorsitzende, Bundeskanzlerin Angela Merkel, stammt selber aus dem Osten und hält nichts von allzu heftigen Kampagnen gegen die Linke, wie sie ihre Partei früher häufig führte. "Ich werde nicht in Lagern denken, sondern um die Menschen werben. Und deshalb werde ich auch nicht aggressiver werden, sondern ich werde Argumente vorbringen", setzt Merkel auf einen eher ruhigeren Kurs.
Kanzlerin Merkel setzt weiter auf die Liberalen
Kanzlerin Merkel setzt mit Blick auf die Bundestagswahl am 27. September weiter auf eine Mehrheit für die Konservativen (CDU/CSU) und die Freien Demokraten (FDP). Deren Vorsitzender Guido Westerwelle geht weiterhin davon aus, dass es zu einer roten-roten Bundesregierung unter Beteiligung der Grünen kommen könnte, wenn sie rechnerisch möglich werden sollte. Ein solches Bündnis unmittelbar nach der Bundestagswahl darf als angeschlossen gelten. Das liegt neben unüberbrückbaren programmatischen Differenzen vor allem in der Sozial-, Sicherheits- und Außenpolitik aber auch an Oskar Lafontaine.
Der ehemalige SPD-Vorsitzende wechselte vor einigen Jahren zu den Linken und machte sie im Westen hoffähig. In seiner Heimat, dem Saarland, katapultierte er die Linke bei der Landtagswahl am Sonntag auf 21 Prozent. Die SPD kann sich nun eine Koalition mit den Ex-Kommunisten an der Saar vorstellen, wo der Ministerpräsident von 1985 bis 1998 hieß.
Auf Bundesebene jedoch lehnt die SPD eine Zusammenarbeit mit der Linken weiter kategorisch ab. Lafontaine habe seine ehemalige Partei verraten, beklagt der amtierende SPD-Vorsitzende Franz Müntefering. "Er ist ein Spieler und einer, der der SPD schaden will. Das muss man immer im Blick behalten."
"Bis 2013 nicht mit den Linken"
Aber, glaubt Müntefering, die Zeiten würden sich ändern - man wisse nur nicht, wann. Bis 2013 werde sich auf Bundesebene aber nichts tun zwischen der SPD und der Linken.
Spätestens bei der Wahl in vier Jahren dürften zwischenmenschliche Probleme keine große Rolle mehr spielen. Lafontaine ist jetzt Mitte 60, Müntefering geht auf die 70 zu. Antipathien zwischen Sozialdemokraten und Linken sind, abgesehen von politischen Gegensätzen, auch ein Generationenproblem.
Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Kay-Alexander Scholz