Atomsicherheitsgipfel in Den Haag
23. März 2014Es ist gerade mal ein Jahr her, dass auf den traditionellen Boston-Marathon ein Bombenanschlag verübt wurde. Es gab Tote und Verletzte, die USA waren erschüttert wie seit dem 11. September 2001 nicht mehr. Doch was wäre gewesen, wenn es sich um einen Atomterroranschlag gehandelt hätte? "Die Konsequenzen wären verheerend", sagt Giorgio Franceschini von der Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK): Es käme zu längeren Evakuierungs- und aufwendigen Dekontaminationsmaßnahmen rund um den Anschlagsort, das betroffene Gebiet wäre verseucht, die Bevölkerung verunsichert. Bürgerrechte würden eingeschränkt und Regierungen destabilisiert.
Atomterrorismus eine reale Gefahr?
Um Schreckensszenarien wie dieses zu verhindern, versammeln sich ab Montag (24.03.2014) 53 Staats- und Regierungschefs sowie Vertreter der Vereinten Nationen, der Internationalen Atomaufsichtsbehörde IAEA und von Interpol sowie der EU im niederländischen Den Haag zum dritten Nuclear Security Summit (NSS), um über Atomterrorismus zu beraten. Ziel der von Barack Obama 2009 ins Leben gerufenen Initiative ist es, die Bedrohung von nuklearem Terrorismus rund um den Globus durch einen genau festgelegten Plan zu bekämpfen. Der erste Gipfel fand 2010 in Washington statt, der zweite zwei Jahre später in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul.
Die internationalen Bemühungen gehen voran, auch wenn es zum Glück bisher noch zu keinem Anschlag mit radioaktiven Bomben gekommen ist. Denn Atomterrorismus ist bei weitem keine abstrakte Vorstellung mehr. "Die Terrorgruppe Al-Kaida und die japanische Sekte Aum Shinrikyio waren kurz davor, sich das Ausgangsmaterial für eine Atombombe zu besorgen und hatten sich schon mit der Zündtechnik eines nuklearen Sprengsatzes beschäftigt, sind aber an dem Projekt gescheitert", sagt Franceschini. Auch tschetschenische Terroristen sollen bereits versucht haben, eine radiologische Waffe in Moskau einzusetzen.
Waffenfähiges Material sichern
Ein wichtiges Thema für die Gipfelteilnehmer ist deshalb die Sicherung von waffenfähigem Atommaterial. Laut den jüngsten offiziellen Daten gibt es weltweit noch 1390 Tonnen hochangereichertes Uran und 490 Tonnen Plutonium. 260 Tonnen davon werden zivil genutzt, zum Beispiel in Krankenhäusern.
"Ein Teil dieses radioaktiven Materials ist im ständigen Umlauf. Das ist bei weitem keine nationale Angelegenheit mehr. Wir müssen verhindern, dass dieses Material in die falschen Hände gerät", sagt Michelle Cann von der in Washington angesiedelten Denkfabrik Partnership for Global Security .
Als warnendes Beispiel kann ein Vorfall vom Dezember vergangenen Jahres in Mexiko dienen: Dort wurde ein Wagen, der medizinisches Gerät mit radioaktivem Kobalt-60 transportierte, überfallen und gestohlen. Das darin enthaltene Material hätte für den Bau einer sogenannten "schmutzigen Bombe" ausgereicht.
Lagerbestände reduzieren
"Aber Terroristen könnten sich auch waffenfähiges Atommaterial auf dem nuklearen Schwarzmarkt beschaffen oder hochangereichertes Uran aus einem Forschungsreaktor entwenden", warnt Franceschini. Besonders bei politisch instabilen Atommächten wie Pakistan sei es für Terrororganisationen leicht, an solches Material zu gelangen.
Sicherheitslücken gibt es allerdings auch in westlichen Militäranlagen. US-Medien berichteten unlängst, dass drei Friedensaktivisten, darunter eine 82-jährige Nonne, in eine militärische Anlage eingedrungen sind, in der tonnenweise Nuklearmaterial gelagert war.
"Der einzige Weg, dies zu verhindern, ist die Reduzierung von Lagerbeständen mit gefährlichem Spaltmaterial", sagt Michelle Cann. Dass dies möglich ist, zeigten Länder wie Österreich, Tschechien, Ungarn, Mexiko, Schweden, die Ukraine und Vietnam, die ihre Bestände an waffenfähigem Kernmaterial vollständig oder zu einem großen Teil aufgegeben hätten, so die Atomexpertin. "Jetzt müssen weitere Staaten diesen Schritt tun, und darauf arbeiten wir in Den Haag hin."