Alte Garde tritt erneut an
28. Juli 2013Auf dem Platz der Unabhängigkeit in Gao dröhnt Musik aus Lautsprechern. Die Stadt im Norden Malis war noch bis Januar fest im Griff der Islamisten. Jetzt tanzt hier eine Frauengruppe mitten auf dem sandigen Platz. Alle tragen die gleichen hellblauen Röcke und T-Shirts. Sie zeigen das Gesicht des Präsidentschaftskandidaten Modibo Sidibé. Er ist gerade auf dem Weg nach Gao, einer seiner letzten Stationen bei der Wahlkampftour durch Mali.
Der 61-Jährige ist kein Unbekannter. Schon in den 1990er Jahren stand er dem damaligen Präsidenten Alpha Oumar Konaré nahe. Später galt er als wichtige Person im System des ehemaligen Präsidenten Amadou Toumani Touré, der im März 2012 gestürzt wurde. Über ATT, wie Touré in Mali genannt wird, spricht auf dem Platz der Unabhängigkeit aber niemand. Stattdessen wird der Kandidat Sidibé an diesem Morgen sehnsüchtig erwartet. Auch Mahamadou Maïga steht seit Stunden auf dem Platz und wartet geduldig: "Unser Präsident kommt. Die ganze Stadt ist hier", sagt er voller Freude.
Kein Wandel durch die Wahl
Doch noch ist Modibo Sidibé nicht Präsident, sondern nur einer der Kandidaten, die am Sonntag (28.07.2013) zur Wahl stehen. Neben ihm gelten Ibrahim Boubacar Keïta und Soumaïla Cissé als Favoriten für das Amt. Von den ursprünglich 28 Kandidaten treten inzwischen nur noch 27 zur Wahl an. Eines haben aber alle Anwärter gemeinsam: Sie sind bekannte Akteure in der malischen Politik. "Und damit sind sie letztendlich auch Vertreter des alten politischen Establishments", sagt Annette Lohmann, Leiterin der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bamako. Frischen Wind wird es in Mali deshalb kaum geben, denn: "Das sind keine Akteure, die für neue Politikansätze stehen."
Nötig wurden die Wahlen durch den Staatsstreich vom 22. März 2012. Eine Gruppe von Soldaten der mittleren Führungsebene um den Hauptmann Amadou Sanogo stürzte den bisherigen Präsidenten Touré, der zehn Jahre lang an der Macht war. Auf Druck der internationalen Gemeinschaft wurde schon wenige Wochen nach dem Putsch eine Übergangsregierung eingeführt. Diese wirkte gerade in den Anfangsmonaten aber sehr schwach. Wirtschaftlicher und politischer Stillstand kennzeichneten die Zeit danach.
Feste Strukturen gewünscht
Das soll sich mit den Wahlen ändern, wünscht sich auch Wählerin Bintou Coulibaly. "Wir wollen, dass die Übergangszeit endet und wir einen vollwertigen Präsidenten haben." Dass dabei Politiker der alten Riege sind, stört sie weniger. Auch politische Inhalte werden kaum thematisiert. "Hauptsache raus aus der Krise", wünscht sich Bintou Coulibaly. Welcher Kandidat das ihrer Meinung nach am besten kann, will Bintou Coulibaly nicht verraten. Sie lächelt nur und sagt: Wahlgeheimnis.
Im Wahlbüro von Soumaïla Cissé liegt derweil alles bereit, um seine Anhänger auszustatten: Stifte und Schüsseln, Hüte und Krawatten. Überall strahlt der 64-Jährige potenziellen Wählern entgegen. Doch der Ansturm auf die Fan-Artikel setzt nicht ein. Dabei gibt sich Malick Touré, Ehrenpräsident der Union für die Republik und die Demokratie - der Partei von Soumaïla Cissé - alle Mühe, seinen Favoriten in den höchsten Tönen zu loben. Dessen Stärke sei die Wirtschaft. "Er war lange Finanzminister. So einen guten Staatshaushalt wie er, hat später noch keiner seiner Nachfolger geschafft." Cissé soll nach ganz oben: "Der Präsident ist es, der entscheidet. Diese Verantwortung hat Soumaïla Cissé noch nicht getragen. Er kann Mali voran bringen."
Die Einheit Malis als Wahlkampfthema
Trotzdem taucht ein anderes Gesicht im Moment noch viel häufiger an den Straßenrändern auf: Überall lacht Ibrahim Boubacar Keïta – IBK genannt – von Plakaten und Fahnen herunter. Der 68-Jährige war schon Premierminister und Parlamentspräsident und gilt bisher als stärkster Kandidat. Auch Taxifahrer Lassana Coulibaly strahlt, wenn er in seinem gelben Mercedes an einem der Plakate vorbei fährt: "Ich liebe IBK. Er muss nur einmal sprechen, und schon hat er die ganze Welt hinter sich versammelt." Für den Taxifahrer symbolisiert Keïta die Stärke, die ein Präsident in Mali braucht.
Die wahrscheinlich wichtigste Aussage von Keïta in diesem Wahlkampf: Mali ist unteilbar. Genau diese Frage hat durch die anhaltende Gewalt im Norden viele Menschen beschäftigt. Keïta könnte damit also punkten. Außerdem sagt man ihm nach, er verfüge über gute Kontakte zur einstigen Kolonialmacht Frankreich. Dass er oder auch ein anderer Kandidat nach der Bekanntgabe der Ergebnisse - voraussichtlich Anfang August - schon als Sieger ausgerufen wird, gilt aber als unwahrscheinlich. Die Stichwahl ist bereits für den 11. August geplant.