Am Ende der Kapazitäten: Energiekrise in Albanien
10. November 2005Albanien leidet momentan unter der schwersten Energiekrise der letzten 15 Jahre. Strenges Stromsparen ist geboten. Zwischen 15 und 18 Stunden täglich dauern die Stromausfälle. Weil es zu wenig geregnet hat, ist das Wasserniveau in den großen Stauseen fast auf Null gesunken. Die Regierung bemüht sich, Strom zu importieren. Der albanische Energieminister Genc Ruli sagte nach einem Besuch in der Ukraine: "Wir sind im ständigen Kontakt mit den Ländern der Region. In der Ukraine war ich, um zwei Ziele zu erreichen: Einerseits die langfristige Versorgung für das Jahr 2006, andererseits die Bewältigung der dringenden Situation für die Monate November und Dezember." Doch die ukrainischen Verhandlungspartner konnten ihm nur Nachschub für die nächsten zwei Monate versprechen.
Hilfe aus dem benachbarten Ausland
Albanien ist auf den Import von Strom aus den Nachbarländern angewiesen. Seit Dienstag (8.11.) gibt es eine Verbesserung der Energieversorgung von 90 Minuten durch die Energieeinfuhr aus Rumänien. Präsident Sali Berisha ist zuversichtlich, dass es auch weitere Importverträge geben wird: "Die Einfuhr aus Rumänien und Bulgarien ist auf 150 Million Kilowattstunden gestiegen. Wir erwarten ein positives Ergebnis der Gespräche in Serbien über den direkten Kauf oder für den Transfer von Strom über serbische Netze aus der Ukraine. Aus Italien werden 200 Millionen Kilowattstunden gekauft."
Serbien hat bereits die Durchleitung des importierten Stromes zugesagt. Es müssen aber noch die Transferzeiten geregelt werden, da die serbischen Stromleitungen auch für den Transfer anderer Länder genutzt werden.
Mazedonien hat zudem versprochen, zwei Stautore am Ohrid-See in Struga zu öffnen, um den Pegel des Flusses Drin in Albanien zu erhöhen. Das Wasser des Drin bedient die größten Wasserkraftwerke des Landes.
Keine Vorsorge
Experten der Weltbank gehen davon aus, dass die Wirtschaft täglich Verluste von 4,2 Millionen Dollar erleidet. Ruli beschuldigt die vor kurzem ausgeschiedene sozialistische Regierung: Sie habe es versäumt, rechtzeitig die notwendigen Einfuhrverträge mit Zulieferländern abzuschließen. Albanien importiert schon jetzt mehr als die Hälfte seines Bedarfes. Energieminister Ruli sagte: "Man kennt die Klimazyklen. Albanien und die ganze Region haben drei Jahre ein trockenes und drei Jahre ein feuchtes Klima. Es wurden von Januar 2005 bis September 2005, als wir uns der Situation annahmen, keine Verträge abgeschlossen. Das führt jetzt dazu, dass wir jetzt mit den Zulieferländern verhandeln müssen, manchmal mehr politisch als kommerziell."
Öffnung der Energiemärkte geplant
Alle Balkanländer haben Energieprobleme, obwohl die Region reich an Ressourcen ist. Das soll sich durch die Schaffung eines liberalisierten regionalen Strommarktes ändern. Die südosteuropäischen Staaten, die EU, die USA, Kanada, die Weltbank sowie die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung unterzeichneten kürzlich in Athen ein Abkommen, dass die Öffnung der einheimischen Gas- und Strommärkte für ausländische Konkurrenten plant. Nikos Stefanu, Generalsekretär im griechischen Entwicklungsministerium, meint dazu: "Es ist kein Zufall, dass die Weltbank, aber auch die Europäische Kommission von 21-Milliarden-Euro Investitionen von in den 15 nächsten Jahren sprechen. Das sind Fonds, die für den Bau neuer Leitungen und die Instandsetzung der vorhandenen Systeme ausgegeben werden müssen. In dieser Region wird es in den nächsten 15 Jahren einen Boom in den Energieinvestitionen geben. Die großen Gesellschaften aus Europa, aus der Region, aber auch aus den USA werden es mit einem attraktiven Terrain zu tun haben, und mit einem modernen europäischen Gesetzesrahmen."
Ein erstes großes Investitionsprojekt ist der geplante Bau eines Heizkraftwerkes im Kosovo. Diesen Winter wird die UN-Verwaltung UNMIK die Bedingungen für eine internationale Ausschreibung schaffen. Im nächsten Jahr könnten die Investoren bereits mit der Detailplanung beginnen.
Angjelina Verbica
DW-RADIO/Albanisch, 10.11.2005, Fokus Ost-Südost