Amazon sieht Druck von allen Seiten
12. August 2014Dass ein Händler und ein Lieferant nicht immer ein Herz und eine Seele sind, ist nicht ungewöhnlich. Der eine will für seinen Dienst mehr Provision, der andere mehr Geld für seine Ware. Am Ende siegt zumeist das gemeinsame Interesse, der werten Kundschaft die gute Ware zu verkaufen.
Im Streit zwischen dem Online-Riesen Amazon und dem US-Großverlag Hachette, der seit Mai die Buchbranche weltweit bewegt, scheint eine Einigung weit entfernt. Dabei geht es auch dort um nichts anderes als Rabatte und sonstige Handelskonditionen. Amazon will statt 30 Prozent jetzt 50 Prozent Rabatt haben, Hachette will das nicht zugestehen. Vor drei Monaten begann Amazon damit, Bücher der Hachette-Verlage verzögert auszuliefern oder gleich als nicht lieferbar anzuzeigen. Die beliebten Buchempfehlungen im Amazon-Shop liefen ebenfalls ohne Hachette-Titel und bei Sonderaktionen waren sich auch nicht dabei.
Diese Daumenschrauben sind nichts Neues im Geschäftsgebaren von Amazon: Als der Holtzbrinck-Ableger Macmillan vor einigen Jahren nicht spurte, verschwanden dessen Titel aus dem Angebot und auch andere Verlage, Musik- und Filmproduzenten stöhnen seit Jahren über die harten Ellbogen des Onlinehändlers.
Zwei Godzillas im Clinch
Amazon meint, sich das leisten zu können: Längst ist das Unternehmen zum größten Medienhändler der Welt aufgestiegen. Im US-amerikanischen E-Book-Markt kontrolliert Amazon mehr als 60 Prozent der Umsätze, bei gedruckten Büchern liegt der Anteil bei mehr als 20 Prozent.
Die Auseinandersetzung erinnert ein wenig an die japanischen Monsterfilme aus den 1960er Jahren, als Godzilla und andere putzige Geschöpfe die Leinwände verschönten. Hachette Livres gehört zum französischen Lagardère-Konzern, der rund 10 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz erzielt. Amazon kommt weltweit sogar auf 75 Milliarden US-Dollar Umsatz.
Eingeklemmt zwischen diesen Godzillas finden sich die Autoren, deren Lebensunterhalt abhängig ist vom flüssigen Abverkauf ihrer Bücher. Wenn es dort stockt, wird es schnell schwierig. Der US-Autor Donald Preston, dessen Bücher bei Hachette erscheinen, startete deshalb eine Unterschriftenaktion, die mehr als 900 Unterzeichner fand: Blockbuster-Autoren wie Stephen King oder John Grisham sind ebenso dabei wie literarische Schwergewichte vom Kaliber eines Paul Auster. Die meisten von ihnen sind nicht bei Hachette verlegt. Ihre Forderung an Amazon: Sie wollen nicht durch verzögerte Auslieferung und andere Daumenschrauben, die das Unternehmen anlegt, drangsaliert werden. Sie sehen sich als treue Geschäftspartner, mit denen Amazon in den 20 Jahren seines Bestehens viele Millionen Umsatz gemacht hat. Das derzeitige Vorgehen, so ihr Plädoyer, sei einer solch guten Geschäftsbeziehung unwürdig.
Autoren sind enttäuscht
Initiiert wurde die Sache von Douglas Preston, selbst ein von der Amazon-Taktik betroffener Hachette-Autor. Seine Enttäuschung ist deutlich: "Jeff Bezos hat Bücher als Einstieg benutzt, um alles Mögliche zu verkaufen, von Computerkabeln bis zu Rasenmähern. Und das war eine gute Idee. Jetzt kehrt uns Amazon den Rücken. Haben sie für uns gar keine Wertschätzung? Empfinden sie keine Loyalität? Deshalb sind die Autoren wütend." Die Reaktion von Amazon kam prompt: Preston sei ein Opportunist, wurde ihm beschieden.
Aber auch der Bestseller-Autor James Patterson, der in diesem Jahr mehr als eine Million Dollar aus seinem Privatvermögen für unabhängige Buchhandlungen in den USA und Großbritannien zur Verfügung gestellt hat, haut in die Kerbe: "Amazon will den Bucheinkauf, den Buchverkauf und sogar das Buchverlegen kontrollieren." Das höre sich ganz nach dem Beginn eines Monopols an.
Amazon im Aktientief
Amazon reagiert auf solche Vorhaltungen zunehmend erratisch: Am Wochenende schickte das Unternehmen einen Brandbrief an seine treue Selbstverlegergemeinde, in dem diese Autoren aufgefordert wurden, dem Hachette-Chef Michael Pietsch das Eingehen auf die Amazon-Forderungen nahe zu legen. Fast gleichzeitig startete der in den USA enorm erfolgreiche Selbstverleger Hugh Howey eine Online-Petition, die den Robin Hood Amazon im Kampf mit der dunklen Macht Hachette darstellt – bislang haben mehr als 8.000 Menschen dies unterzeichnet.
Über die Gründe, warum Amazon, das bisher jegliche Kritik an sich hat abperlen lassen, auf die Schelte durch die Autoren so dünnhäutig reagiert, lässt sich nur spekulieren. Allerdings steht das Unternehmen zunehmend in der Kritik seitens seiner Aktionäre: In den 20 Jahren seiner Existenz hat Amazon zwar ein gewaltiges Wachstum hingelegt und riesige Summen in seine Infrastruktur und Technik investiert, an den Jahresenden standen allerdings durchwegs Verluste zu Buche. Seit Jahresbeginn ist der Aktienkurs eingebrochen, teilweise um bis zu 30 Prozent. Allein für das laufende 3. Quartal des Geschäftsjahres werden 800 Millionen US-Dollar Verlust erwartet. Dem begegnet Amazon einerseits mit fieberhaft auf den Markt geworfenen neuen Projekten, andererseits wird bei den Zulieferern die Schraube angezogen: Hachette ist der erste Dominostein bei den Buchverlagen; Warner Music streitet sich mit Amazon um Musik und jetzt liegt auch Disney im Clinch um die Bedingungen für den DVD-Verkauf.