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Amnesty beklagt weltweite Folter

Bettina Marx13. Mai 2014

Auch 30 Jahre nach der Verabschiedung der Antifolterkonvention der UN wird weltweit gefoltert. Zum Start der internationalen Kampagne gegen Folter legt Amnesty International einen erschreckenden Bericht vor.

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Selmin Caliskan. Generalsekretärin der deutschen Sektion von Amnesty International legt den Bericht Folter 2014 vor Foto: DPA
Selmin Caliskan, Generalsekretärin von Amnesty International in DeutschlandBild: picture-alliance/dpa

Umida Nijosova ist eine usbekische Journalistin und Menschenrechtsaktivistin. Sie untersucht und dokumentiert Fälle von Folter und Zwangsarbeit in ihrer Heimat. "In Usbekistan wird systematisch gefoltert", sagt sie im Gespräch mit der DW. "Es wird gefoltert, um Geständnisse zu erpressen. Die Gerichte erkennen diese Geständnisse an und verurteilen die Menschen dafür." In Usbekistan sitzen Hunderte von politischen Gefangenen in Haft. Viele von ihnen nur deswegen, weil sie gegen die sozialen Missstände im Land protestierten. Auch Nijosova selbst war vier Monate lang inhaftiert. Mehrere Tage wurde sie in einer dunklen und kalten Zelle eingesperrt - ohne Kontakt zur Außenwelt. Im Jahr 2007 wurde sie wegen ihrer Aktivitäten zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Auf Druck der Europäischen Union wurde die Gefängnisstrafe jedoch kurz darauf in eine Bewährungsstrafe umgewandelt. Die Aktivistin konnte daraufhin ihr Land verlassen. Sie lebt heute in Berlin und hat in Deutschland Asyl erhalten.

Die usbekische Menschenrechtsaktivistin Umida Niyosova Foto: DW
Die usbekische Menschenrechtsaktivistin Umida Nijosova kämpft gegen FolterBild: DW/Bettina Marx

Folter global

Usbekistan gehört zu den fünf Ländern, die die Menschenrechtsorganisation Amnesty International für ihre diesjährige Anti-Folter-Kampagne ausgewählt hat. Daneben stehen Marokko und Nigeria, Mexiko und die Philippinen im Zentrum der Aufmerksamkeit, so Selmin Caliskan, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. In diesen Ländern gibt es zwar Gesetze gegen die Folter. In der Praxis werde sie aber weiterhin eingesetzt, "von Polizei, Militär und Geheimdiensten, aber auch von anderen staatlichen Stellen, zum Beispiel in Mexiko von den Migrationsbehörden".

Doch nicht nur in diesen fünf Ländern wird gefoltert. Die Folter ist überall auf der Welt nach wie vor weit verbreitet, in Entwicklungs- und Schwellenländern, aber auch in modernen Industriestaaten. In manchen Ländern, wie Nordkorea und Syrien, wird die Folter systematisch angewendet, in anderen Ländern gibt es Einzelfälle. Und das, obwohl die Vereinten Nationen vor 30 Jahren die Antifolterkonvention verabschiedet haben, der 155 Staaten beigetreten sind. "Wir haben in den letzten fünf Jahren aus 141 Ländern Berichte über Folter und Misshandlung gesammelt", erläutert Amnesty-Chefin Caliskan.

Gebrochene Versprechen

Herausgekommen ist ein 45 Seiten starker Bericht mit der Überschrift "30 Jahre gebrochene Versprechen". Zu den Methoden, die Amnesty dokumentiert hat, gehören Schläge, Tritte, Aufhängen, Elektroschocks, Schlafentzug, Isolation, Scheinhinrichtungen, Vergewaltigungen und vieles mehr. Die Folter werde eingesetzt, um Geständnisse zu erpressen, die politische Opposition abzuschrecken, zu unterdrücken und einzuschüchtern, aber auch zur Bekämpfung von tatsächlichen oder vermeintlichen Terrorgruppen für die nationale Sicherheit, so Caliskan. "Hier haben die USA mit ihrem Krieg gegen den Terror, mit der Einrichtung von Guantanamo, von CIA-Geheimgefängnissen, in denen gefoltert wurde, viel zur Legitimierung der Folter beigetragen, weil sie ganz klar und ganz selbstbewusst gegen das Folterverbot verstoßen haben."

Häftlinge im US-Straflager Guantanamo auf Kuba Foto: DPA
Das US-Gefangenenlager GuantanamoBild: picture alliance/dpa

Straffreie Täter

Die meisten Opfer von Folter sind nach Erkenntnissen der Menschenrechtsorganisation aber nicht politische Gefangene mit internationalem Bekanntheitsgrad, sondern arme, diskriminierte und ausgegrenzte Menschen. Ihnen werden oft kriminelle Delikte vorgeworfen und sie werden gefoltert, um Geständnisse zu erpressen oder um ihre Verwandten dazu zu bewegen, für sie zu bezahlen. Manchmal ist aber auch der reine Sadismus Motiv für Folterungen. So gibt es auf den Philippinen in der Provinz Laguna ein Haftzentrum, in dem die Insassen zum Vergnügen ihrer Wärter willkürlichen Misshandlungen unterworfen werden.

Die Schuldigen werden praktisch nie zur Rechenschaft gezogen. Ihre Taten werden nicht aufgeklärt und nicht verfolgt und die Opfer bekommen keine Entschädigung. Im philippinischen Staat, der formal über einen umfassenden rechtlichen Rahmen zur Bekämpfung der Folter verfüge, herrsche eine Kultur der Straflosigkeit, so Amnesty.

Um dagegen vorzugehen, fordert die Organisation mehr Transparenz. "Es liegt auf der Hand, was die Staaten hier gegen Folter machen müssen und machen können", sagt Amnesty-Mitarbeiterin Imke Dierßen. "Festgenommene müssen sofort Angehörige und einen Anwalt informieren können. Verhöre müssen aufgezeichnet werden und Anwälte bei den Verhören auch zugegen sein." Darüber hinaus müsse es unangekündigte Kontrollen in Hafteinrichtungen geben. Vor allem dürften Gerichte Geständnisse, die unter Folter erpresst wurden, nicht als Beweismittel akzeptieren.

Spuren von Schlägen auf dem Rücken eines syrischen Folteropfers Foto: Getty Images
In Syrien wird systematisch und brutal gefoltertBild: JAMES LAWLER DUGGAN/AFP/GettyImages

Keine Folter in Deutschland

Auch an Deutschland stellt Amnesty Forderungen. In der Bundesrepublik werde zwar nicht gefoltert. Es gebe aber zahlreiche Berichte über Misshandlungen durch die Polizei. Um solche Übergriffe wirksam zu bekämpfen, müssten die "Nationale Stelle zur Verhütung von Folter" sowie die entsprechenden Einrichtungen in den Ländern personell aufgestockt werden. In der für die Bundeshaftanstalten zuständigen Nationalen Stelle in Wiesbaden seien nur zwei Mitarbeiter beschäftigt, die 300 Einrichtungen überwachen müssten. Die Länderkommission müsse mit ihren vier Angestellten sogar 13.000 Einrichtungen kontrollieren, in denen Menschen die Freiheit entzogen wird. "Pro Jahr müssten 36.000 Kontrollbesuche stattfinden", erklärt Amnesty-Generalsekretärin Caliskan. Im letzten Jahr konnten aber nur 36 durchgeführt werden.

Was sagen die Bürger?

Amnesty hat nicht nur die Anwendung der Folter weltweit untersucht, sondern auch die Haltung der Menschen zur Folter. 21.000 Bürger in 21 Ländern wurden dafür befragt. 82 Prozent von ihnen sind der Meinung, dass es klare Regeln gegen die Folter geben müsse. Aber immerhin ein Drittel findet, Folter könne notwendig sein, um Informationen zu erlangen, die für die öffentliche Sicherheit wichtig seien. Experten führen dies auch auf den Einfluss von Filmen und Fernsehserien zurück, in denen gefoltert wird. Diese Filme verbreiteten die Illusion, dass man mit Folter Geständnisse erzwingen könne, mit denen Anschläge verhindert würden, so Caliskan. In Wirklichkeit aber führten mit Gewalt erpresste Geständnisse zu mehr Unsicherheit und zu schwindendem Vertrauen in den Rechtsstaat. Dies aber wird durch eine andere Zahl der Erhebung belegt: 44 Prozent der Befragten fürchten sich selbst vor Folter, sollten sie verhaftet werden.