Folter durch Einsatzkräfte in Erdbebengebieten?
5. April 2023Nach den Erdstößen Anfang Februar im Südosten der Türkei und in Nordsyrien, bei denen mehr als 55.000 Menschen starben, rollte eine Welle der Hilfsbereitsschaft an. Doch zwei Monate später haben Menschenrechtler jetzt schwere Vorwürfe gegen die türkische Polizei und die Gendarmerie erhoben.
In den betroffenen Gebieten hätten Einsatzkräfte Menschen gefoltert und anderweitig misshandelt, teilte Amnesty International (AI) am Mittwoch mit. Ein Mensch sei infolge von Misshandlung in Gewahrsam gestorben.
"Inmitten der schlimmsten Naturkatastrophe, die das Land je erlebt hat, missbraucht die türkische Polizei und Gendarmerie ihre Macht", sagte Amke Dietert, Türkei-Expertin bei Amnesty International. Türkische Behörden müssten unverzüglich Ermittlungen zu den Vorfällen einleiten.
Hohe Dunkelziffer befürchtet
Gemeinsam mit der Organisation Human Rights Watch habe man 34 Opfer befragt und Videomaterial gesichtet, hieß es von Amnesty. Die Menschenrechtler gehen aber von noch mehr Betroffenen aus. Zwölf Menschen hätten Folter oder andere Misshandlungen erlebt, zwei Personen seien von Gendarmen mit Waffen bedroht worden. Der Großteil der Fälle wurde den Angaben zufolge in der Stadt Antakya in der Provinz Hatay dokumentiert. In den meisten Fällen seien die Menschen nicht offiziell in Gewahrsam genommen, sondern unmittelbar geschlagen worden. Auch seien manche der betroffenen Personen gezwungen worden, sich hinzulegen, während sie getreten, geohrfeigt oder längere Zeit beschimpft worden seien.
Unter den Opfern seien auch syrische Staatsbürger. "Die Angriffe deuten auf zusätzliche rassistische Motive hin", so die Menschenrechtler. Die beschuldigten Institutionen äußerten sich vorerst nicht öffentlich zu den Vorwürfen. Die Menschenrechtsabteilung des türkischen Justizministeriums wies die Vorwürfe laut Amnesty als vage und ohne sachliche Grundlage zurück.
mak/wa (dpa, epd, amnesty international)