Amsterdam bangt um Peter R. de Vries
8. Juli 2021"Mutig" ist das Wort, das am häufigsten an diesem Tag in der Amsterdamer Lange Leidsedwarsstraat fällt, um Peter R. de Vries zu beschreiben. Dort, mitten im Stadtzentrum der niederländischen Metropole, war der Kriminalreporter am Dienstagabend niedergeschossen worden. Derzeit kämpft der 64-Jährige in einem Krankenhaus um sein Leben. Am Tatort in dieser geschäftigen Straße, voller Restaurants und Läden, ist die Polizei weiter präsent.
Vor allem aber gehört der Abschnitt der Lange Leidsedwarsstraat dieser Tage denjenigen, die kommen, um Anteil zu nehmen und Peter R. de Vries zu unterstützen. Viele bringen Blumen mit oder kleine Grußkarten mit aufmunternden Botschaften. Auf einer steht: "Kämpfe - Wir beten". Auf einer anderen: "Für die freien Journalisten".
Amsterdamer beten und hoffen
Im Laufe des Mittwochs kommen immer mehr Menschen vorbei, schauen das größer werdende Blumenmeer an, machen Fotos, lesen die Nachrichten, und legen ihre Sträuße nieder. Manche bringen auch Kerzen mit, oder andere Kleinigkeiten wie Tulpenzwiebeln oder Rosinenbrötchen.
Diana ist zusammen mit ihrer Tochter extra aus Rotterdam angereist. Am Morgen als sie aufwachte, sei es ihr ein Bedürfnis gewesen zu kommen: "Ich werde ihn im Fernsehen vermissen. Immer wenn er im Fernsehen etwas sagte, war das wahr und ehrlich und es war fair."
Landesweit bekannt
Peter R. de Vries ist in den Niederlanden ein sehr prominenter Kriminalreporter. Er wurde bekannt mit einem Buch über die Entführung des Brauereiunternehmers Alfred Heineken, das auch verfilmt wurde. Später machte er sich mit einer nach ihm benannten Fernsehsendung einen Namen. 2008 erlangte er internationalen Ruhm und gewann einen Emmy für seine Reportagen.
Jüngst war er als Berater und Vertrauter des Kronzeugen in dem sogenannten Marengo-Prozess tätig. Bereits der Bruder und ein Anwalt des Zeugen wurden ermordet.
Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Motive des Anschlags auf de Vries noch nicht offiziell benannt. Justizminister Ferdinand Grapperhaus betonte am Mittwochabend, dass keine voreiligen Schlüsse gezogen werden sollten, sondern dass man die Polizei ihre Ermittlungen führen lassen solle. Die Niederlande seien aber weiter ein sicheres Land für Journalisten, stellte Grapperhaus auf Rückfrage der DW klar.
Journalisten haben es immer schwerer
Thomas Bruning ist Geschäftsführer des niederländischen Hauptjournalistenverbandes. Er sagt, die Bedrohungen für Journalisten kämen auch aus dem Bereich der Schwerstkriminalität, die in den vergangenen Jahren größer geworden sei. Es seien vor allem die Journalisten, die in diesem Bereich recherchieren, die das Attentat auf de Vries "als eine ganz schwere Warnung" wahrnähmen, so Bruning.
Dies könne auch dazu führen, dass Journalisten schon vorher denken, "wenn ich über dieses Thema, oder diese Gruppe oder über diese Sache schreibe oder einen Beitrag mache, dann riskiere ich vielleicht mein Leben". Zudem seien Reporter generell auch Anfeindungen aus der Bevölkerung ausgesetzt, die von Beschimpfungen bis hin zum Anrempeln gingen, sagt Bruning.
Personenschutz abgelehnt
Auf der Lange Leidsedwarsstraat ist man sich einig, dass das Attentat im Zusammenhang mit der Arbeit von de Vries steht: "In gewisser Weise waren wir überrascht, dass es nicht schon früher passiert ist," meint Emma, die ganz in der Nähe des Tatorts wohnt.
Sie sagt, er sei sehr mutig gewesen und habe keinen Personenschutz gewollt. Auch Quincy, der in einer Filmproduktionsfirma schräg gegenüber vom Tatort arbeitet, ist nicht überrascht. Er und seine Kollegen hätten schon mal über das Problem gesprochen, dass de Vries keinen Polizeischutz hatte und jeder gewusst habe, wie oft dieser hier im Viertel war.
Journalistenverbandschef Bruning stand in Kontakt mit Peter R. de Vries, auch um mit ihm über dessen Sicherheit wegen seiner Beteiligung in früheren Fällen zu beraten. Damals habe de Vries Personenschutz abgelehnt: "Er will frei leben und wenn das so ist, gehört da kein 24-Stunden-Schutz dazu." Und so habe de Vries das Thema Sicherheit auch bis zuletzt noch gesehen.