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Vom Pfadfinder zum Staatsoberhaupt

Elżbieta Stasik6. August 2015

Polens neuer Präsident Andrzej Duda ist jung, smart, dynamisch - und relativ unbekannt. Sein Unterstützer aber ist ein alter Bekannter: der erzkonservative Chef der Partei Recht und Gerechtigkeit, Jaroslaw Kaczynski.

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Andrzej Duda (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Gleich der erste Karriere-Eintrag in Dudas Lebenslauf lässt aufhorchen: "Im Jahr 1984 trat ich bei den Krakauer Pfadfindern ein und nach ein paar Jahren wurde ich Gruppenführer." Die mehrjährige Pfadfinderepisode erwähnt Andrzej Duda oft und mit Stolz. Schön und gut, ist das aber für einen Spitzenpolitiker wirklich so bedeutend? In Polen schon. Nicht nur in konservativen Kreisen des Landes ist der Begriff "Pfadfinder" ein Mythos, gleichbedeutend mit Eigenschaften wie patriotisch, ehrlich, aufopferungsbereit. Pfadfinder, Mädchen und Jungen, viele von ihnen waren noch Kinder, kämpften und starben im Warschauer Aufstand 1944, dem Inbegriff des polnischen Patriotismus. Dieses Heldenepos lebt bis heute fort. Duda setzte es in seinem Wahlkampf geschickt ein, mit Erfolg. Seine Wähler wollten einen Patrioten, der sich um sie kümmert, der alles für sie, für Polen tun wird.

Kometenhafter Aufstieg

In der Politik erschien der heute 43-jährige Jurist unauffällig. Zu Beginn der 2000er Jahre engagiert er sich in der liberalen Partei Unia Wolnosci (Freiheitsunion, UW). Spuren dieses Engagements sind aber schwer zu finden. Die polnische "Newsweek" schreibt sogar, dass Duda seine Vergangenheit in der UW sorgfältig verberge.

Dann kam 2005 - in diesem einem Jahr wird Duda an der Jagiellonen-Universität in seinem Heimatstadt Krakau promoviert, gründet eine eigene Kanzlei und auf einmal wird er nicht nur Mitglied der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), des Gewinners der Parlamentswahlen im September 2005, sondern auch Rechtsexperte der PiS-Fraktion. Danach geht es steil berauf: zuerst stellvertretender Justizminister, dann Staatssekretär in der Präsidentenkanzlei von Lech Kaczynski. Die Posten wechseln in atemberaubendem Tempo. Ein Jahr hier, zwei Monate da. Eine steile, vielversprechende politische Karriere. Und alles unter der Obhut Kaczynskis.

Bis im April 2010 Präsident Lech Kaczynski beim Flugzeugabsturz bei Smolensk tödlich verunglückt. Nachdem Bronislaw Komorowski zum neuen Staatsoberhaupt Polens gewählt wird, zieht sich Duda zurück und geht zurück nach Krakau. Er wird noch Abgeordneter und Pressesprecher der PiS - kaum jemand jedoch nimmt von ihm Notiz. Genauso leise verläuft seine Karriere im Europäischen Parlament in der Fraktion der Konservativen und Reformer. Bis Ende 2014 die Bombe platzt: Andrzej Duda tritt als Präsidentschaftskandidat der PiS an, gibt Jaroslaw Kaczynski bekannt. Der PiS-Vorsitzende selbst bleibt im Schatten. Duda verkündet, dass er das Erbe Kaczynskis antreten will.

Große Versprechen

Jaroslaw Kaczynski bei einer Gedenkfeier anlässlich des ersten Jahrestags des Flugzeugabsturzes bei Smolensk (Foto: Petr David Josek/AP/dapd)
Jaroslaw Kaczynski bei einer Gedenkfeier anlässlich des ersten Jahrestags des Flugzeugabsturzes bei SmolenskBild: Wojtek Radwanski/AFP/Getty Images

Die PiS, seit 2007 die stärkste Oppositionspartei Polens, wurde 2001 von den Brüdern Kaczynski gegründet. Bis heute versteht sie sich als Beschützerin Polens, als Vertreterin des kleinen Mannes im Kampf gegen die vermeintliche Selbstherrlichkeit der Regierung, als Vertreterin christdemokratischen Tugenden wie Ehrlichkeit, Vaterlandsliebe, aber auch Weltoffenheit, solange sie der Heimat nicht schadet. Die Partei tritt für die "Säulen der gesunden Gesellschaft" auf: Familie, Arbeit, Sicherheit. Alles haargenau die Werte, auf die Andrzej Duda in seinem Wahlkampf setzte.

"Mann darf die Polen nicht in Reiche und Arme aufteilen", verkündete er. Und er machte große Versprechen: die Reindustrialisierung Polens, eine Stärkung der Landwirtschaft, soziale Gerechtigkeit. "Den Menschen ihre Würde und ihr Selbstvertrauen zurückgeben" will er. Gerne gibt er auch kleinere Versprechen ab wie kostenlose Kindergärten für alle Kinder oder die Abschaffung der Rundfunk- und Fernsehgebühren. Für seine Partei heikle Themen wie homosexuelle Partnerschaften oder künstliche Befruchtung versuchte er sanft anzufassen. Einerseits kann man damit bei den gläubigen Katholiken punkten, anderseits galt es, auch die Stimmen der Unentschlossenen der Mitte für sich zu gewinnen.

Geschickt betrachtet Duda auch die europäischen Themen. Der Euro zum Beispiel werde in Polen nur dann eingeführt, "wenn alle Polen so viel verdienen wie die Menschen im Westen". Der polnische Präsident versteht sich als Europäer, peinlich genau vermeidet er direkte Attacken auf die EU, denn gegen sie hat er eigentlich nichts, solange die Interessen der Nationalstaaten gewahrt werden. Das heißt: Ja zu Europa, solange Polen "ein starkes, leistungsfähiges Land im Zentrum des vereinten Europas" wird. Politik sei eben eine Dienstleistung, eine Verpflichtung, vor allem dem Vaterland gegenüber, so Duda.

Das Pfadfinderversprechen

Große Worte, große Versprechen. Bei all diesen Beteuerungen beruft sich Duda auf sein Ehrenwort. "Mein Wort ist mir heilig", sagte er zum Abschluss des Wahlkampfs. Auch Dudas Frau Agata unterstrich seine Zuverlässigkeit. Immerhin ist das Paar, das eine 20-jährige Tochter hat, seit 20 Jahren verheiratet. Kennengelernt haben sie sich in der Schule in Krakau, wo Agata Duda heute noch Deutsch unterrichtet. Vor der Präsidentenwahl bekannt war in Polen allerdings nur Agatas Vater, der polnische Dichter und Hochschullehrer Julian Kornhauser.

Aber auch Andrzej Duda, politischer Nobody und sensationeller Wahlsieger, hat in seinem Familienstammbuch einiges zu bieten. Vor allem den Großvater, einen "Kavalleristen, der 1920 gegen die Russen ritt und 1939 gegen die Deutschen", wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schrieb. Duda, so ist zu lesen, sei "ein Mann mit konservativer Musterbiographie".