Anklage gegen Taiwans Ex-Präsidenten
14. März 2017Taiwans ehemaligem Präsidenten Ma Ying-jeou droht eine Verurteilung wegen illegaler Einflussnahme. Er habe im Zusammenhang mit einem Abhörskandal verschiedene Gesetze verletzt, begründete die Staatsanwaltschaft in Taipeh am Dienstag ihren Entschluss, offizielle Anklage zu erheben.
Ma, Präsident Taiwans von 2008 bis 2016, ließ seinen Sprecher mitteilen, er habe sich nichts zuschulden kommen lassen und hoffe auf ein faires und gerechtes Urteil.
Vorwurf: Illegale Informationen
Die Ermittlung läuft bereits seit Jahren. Im Kern lauten die Vorwürfe, Ma habe sich 2013 über seinen damaligen Generalstaatsanwalt Huang Shih-ming unzulässigerweise Informationen aus laufenden Ermittlungen gegen politische Gegner verschafft. Diese habe er Huang dann, ebenfalls illegal, dem Premierminister und anderen Mitarbeitern weitergeben lassen. Huang war bereits 2015 rechtskräftig zu einer 15-monatigen Haftstrafe verurteilt worden, die gegen Zahlung einer Geldstrafe ausgesetzt wurde.
Weil Ma als Präsident Immunität genoss, konnte er erst nach Ende seiner Amtszeit vorgeladen werden und hatte vergangenen November mehrere Stunden vor Gericht ausgesagt. Ein Urteil wird frühestens Ende März erwartet, im Fall einer Verurteilung ist eine mehrjährige Haftstrafe möglich.
Niederlage im Machtkampf
Hintergrund der Vorgänge war 2013 ein innerparteilicher Machtkampf zwischen Ma, damals zugleich Vorsitzender der Kuomintang-Partei (KMT), und dem damaligen Parlamentspräsidenten Wang Jin-pyng. Anti-Korruptions-Ermittler unter Huang hatten das Telefon des Oppositionspolitikers Ker Chien-ming abgehört. Dabei erfuhren sie, dass Wang sich hinter den Kulissen im Justizapparat für Ker eingesetzt hatte. Dieses Wissen überbrachte Generalstaatsanwalt Huang dem Präsidenten.
Sobald der Inhalt der Telefonate öffentlich wurde, ging Ma in die Offensive, um seinen Rivalen Wang aus der Partei zu drängen. Als wichtiges Motiv gilt dabei, dass Wang die Verabschiedung eines Dienstleistungs-Abkommens mit dem Festland China im Parlament nicht entschlossen vorangetrieben hatte. Die wirtschaftliche Integration mit China war ein zentraler Eckpfeiler von Mas china-freundlicher Politik. Wang hatte in der KMT großen Rückhalt und überstand die Angriffe letztlich.
Schlag für Mas Chinapolitik
Für Ma dagegen läutete die Niederlage in den parteiinternen Flügelkämpfen den Niedergang seiner Präsidentschaft ein. Im Sommer 2014 besetzten Studenten aus Protest gegen das geplante Abkommen mit China wochenlang die Volksvertretung. Parlamentspräsident Wang weigerte sich, das Gebäude räumen zu lassen. Am Ende entschärfte er die Situation mit der Zusicherung, dass es weitere Freihandelsabkommen mit China nur unter verstärkter Mitsprache des Parlaments gebe - ein Affront gegen Mas Regierung. Das Dienstleistungs-Abkommen liegt bis heute auf Eis, es gab keine weiteren Freihandelsverträge zwischen Taiwan und China. Die KMT stürzte ab und verlor 2016 die Präsidenten- und Parlamentswahlen deutlich.
Während die Anklage gegen ein früheres Staatsoberhaupt als Beleg für die Unabhängigkeit von Taiwans Justiz gewertet werden kann, bedeutet sie einen schweren Image-Schaden für Ma. Der in Harvard ausgebildete Jurist war einst mit einem Saubermann-Image ins Amt gekommen und hatte versprochen, politische Korruption stärker zu verfolgen.
Ex-Präsident saß in Haft
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Ex-Präsident von Taiwan vor Gericht steht. Mas Vorgänger Chen Shui-bian war 2009 wegen Korruptionsvergehen verurteilt worden und saß mehr als sechs Jahre im Gefängnis, bis er aus medizinischen Gründen Haftverschonung erhielt. Chens Anhänger hatten der KMT damals eine politische Hexenjagd vorgeworfen. Sie dürften die Nachricht von der Anklage gegen Ma nun besonders begrüßen.