Filmfestspiele Venedig: Die Herrin der Preise
30. August 2017Bereits viermal wurde sie für den Oscar nominiert, doch jedes Mal ging sie leer aus. Schenkt man den Porträts über die Schauspielerin und ihren Interviewaussagen Glauben, kann man davon ausgehen, dass Annette Bening (Bild) daran nicht zu Grunde gehen wird. Sie macht durchaus den Eindruck einer souveränen, in sich gefestigten Persönlichkeit.
Wenig Interesse am Rampenlicht
Die 1958 in Topeka im US-Bundesstaat Kansas geborene Bening gehört nicht zu den glamourösen Diven Hollywoods, die wöchentlich in der Presse und den sozialen Medien auf sich aufmerksam machen. Doch die Bening hat seit vielen Jahren beständig Erfolg vor den Kameras, sie sucht sich ihre Rollen sorgfältig aus, dreht sparsam und hat kaum größere Misserfolge aufzuweisen. Vielleicht war es auch dieses Maß an Solidität und gelassener Ausstrahlung, die die Festivalchefs in der Lagunenstadt dazu brachten, Bening in diesem Jahr (30.8.-9.9.2017) den Juryvorsitz anzuvertrauen.
Ihr Handwerk lernte Bening auf den Theaterbrettern. In San Francisco und New York hatte sie als junge Schauspielerin Erfolg, wurde unter anderem für den renommierten Tony Award nominiert. Vor die Kameras wagte sie sich zunächst behutsam, 1987 war sie in der TV-Serie "Miami Vice" zu sehen, außerdem in kleineren Kinorollen. Die große Leinwand eroberte Annette Bening dann 1989 als Madame de Merteuil in der Klassikerverfilmung der "Gefährlichen Liebschaften" von Choderlos de Laclos (im Film "Valmont" von Milos Forman).
Große Erfolge in den 1990er Jahren
Bereits im Jahr darauf folgte die erste Oscarnominierung. Im Film "The Grifters" des Briten Stephan Frears glänzte sie als Gangsterbraut. Wiederum ein Jahr später war sie in "Bugsy" an der Seite von Hollywood-Beau Warren Beatty zu sehen - eine Begegnung, die Folgen haben sollte. Kurze Zeit später heirateten die beiden, die Artikel in den Boulevardblättern über die Ehe des legendären Hollywood-Charmeurs und Frauen-Verführers Beatty und der mehr als zwei Jahrzehnte jüngeren Bening füllten zunächst die Magazine.
Doch irgendwann ließ das Interesse des Boulevards nach, die Ehe der beiden Hollywood-Größen galt als vorbildlich, Beatty und Bening lieferten keinen Anlass zu Klatsch & Tratsch. Das Paar hat vier gemeinsame Kinder, und das war wohl auch ein Grund dafür, dass Annette Bening in den Jahren nach der Hochzeit 1992 nicht jede Rolle annahm und sich Regisseure und Filmprojekte sehr sorgfältig aussuchte.
Unerfüllte Oscarhoffnungen - bis jetzt...
1999 lieferte sie an der Seite von Kevin Spacey in "American Beauty" eine Glanzrolle als spießige Gattin ab, 2004 war ihr Auftritt als Schauspielerin und gescheiterte Ehefrau in "Being Julia" nicht weniger eindrucksvoll. Für beide Filmrollen wurde sie für einen Oscar nominiert. Doch auch die vierte Hoffnung auf einen Oscar zerschlug sich 2010 ("The Kids Are All Right"). Dass sie im vergangenen Jahr nicht eine fünfte Nominierung für ihren Auftritt im Film "Jahrhundertfrauen" bekam, verstanden nicht viele. Verdient gehabt hätte sie es.
"Jahrhundertfrauen", ein sanftes wie eindringliches Porträt einer alleinerziehenden Mutter Ende der 1970er Jahre in Kalifornien, zeigte einmal mehr, was diese Schauspielerin zu leisten vermag. In dem Film von Regisseur Mike Mills lieferte die Amerikanerin ein sensibel gestaltetes, nie aufgeregtes, aber immens intensives Porträt einer Frau in mittleren Jahren, die sich als Mutter ebenso wie als selbstständige Persönlichkeit in einem schwierigen Umfeld zu behaupten weiß.
In Würde vor den Kameras altern
Sie wolle doch in ihrem Leben nicht immer gleich aussehen, antwortete sie einmal auf die Frage, ob sie sich den vorstellen könne, wie einige ihrer Kolleginnen den Alterungsprozess mit Hilfe plastischer Chirurgie stoppen zu können. Annette Bening sieht man ihr Alter an, man könnte auch sagen: Sie steht zu ihrem Alter. Das macht diese Schauspielerin auch aus - im unbedingt positiven Sinne.
Nicht zuletzt deshalb war sie in einigen Filmrollen als Mutter am besten und überzeugendsten. Wohl auch, weil sie auf eigene Erfahrungen zurückgreifen konnte - und stets ein Leben neben Hollywood führte. Diese Erfahrungen dürften Annette Bening dabei helfen, am Ende des Filmfestivals in Venedig am 9.9. eine weise Entscheidung zu treffen, wenn es um die Vergabe des Goldenen und der Silbernen Löwen geht.