Argentinien und Uruguay reichen sich wieder die Hand
27. April 2010In der vergangenen Woche hatte der Internationale Gerichtshof in Den Haag dem seit fünf Jahren währenden Streit zwischen den beiden Nachbarländern zumindest ein juristisches Ende gesetzt. Dabei ging es um den Bau und Betrieb von zwei Zellstofffabriken in Uruguay am Ufer des gleichnamigen Grenzflusses zu Argentinien.
2005 hatte der damalige Präsident Uruguays, Tabaré Vásquez dem finnischen Unternehmen Botnia (heute UPM) und dem spanischen Ence-Konzern die Erlaubnis zum Bau der Fabriken erteilt. 1,5 Millionen Tonnen Zellstoff werden hier jährlich produziert, das ist doppelt so viel wie die gesamte Kapazität der zehn technisch veralteten Fabriken Argentiniens.
Proteste auf argentinischer Seite
Das rief Bewohner und Umweltschützer der argentinischen Provinz Gualeguaychú auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses auf den Plan, die sich durch die Fabrik "akustischer und optischer Umweltverschmutzung" ausgesetzt sahen. Die argentinische Regierung ihrerseits sah in der Baugenehmigung für Botnia eine Verletzung des Abkommens zur Nutzung des Uruguay-Flusses von 1975 – darin hatte sich beide Anrainerstaaten dazu verpflichtet, sich gegenseitig über Nutzung und Veränderungen des Grenzflusses zu informieren.
Salomonisches Urteil
2006 reichte Argentinien Klage in Den Haag ein: wegen Verletzung des Abkommens und Umweltverschmutzung. Die Richter fällten in der vergangenen Woche mit 13 zu 1 Stimmen ein salomonisches Urteil: Ja, Uruguay habe das bilaterale Abkommen verletzt. Nein, einen Umweltverschmutzung gehe von der Zellstofffabrik nicht aus. Die Fabrik, 30 Kilometer östlich der uruguayischen Hauptstadt Montevideo gelegen, darf also weiter produzieren und muss nicht, wie die argentinischen Gegner gehofft hatten, abgerissen und verlegt werden.
Beobachter sehen in dem Urteil eine Chance für die zerstrittenen Nachbarn, sich ohne Gesichtsverlust wieder anzunähern. Von einem "strategischen Sieg für Argentinien und einem taktischen Sieg für Uruguay" spricht der argentinische Politikwissenschaftler Rosendo Fraga. Nachdem beide Seiten in Teilen Recht bekommen haben, komme es jetzt darauf an, die richtigen Schlüsse aus dem Urteil zu ziehen: das Grenzflussabkommen von 1975 ist durch das Urteil aus Den Haag aufgewertet worden und gilt als Garant dafür, dass weitere Alleingänge in Zukunft verhindert werden. Zwar haben die Richter festgestellt, dass die Botnia-Fabrik derzeit keine Umweltbelastung darstellt. Sollte sich das aber ändern, dann hat Argentinien das Recht dagegen vorzugehen.
Proteste halten an
Zu dem Urteil aus Den Haag haben sich die argentinischen Präsidentin Christina Fernández de Kirchner und ihr uruguayischer Amtskollege José Mujica bislang nicht öffentlich geäußert. Vertreter beider Seiten sprachen im Vorfeld des Treffens von der Chance, jetzt eine gemeinsame Lösung anzustreben. Es geht jetzt vor allem darum, die Blockade der Brücke über den Uruguay-Fluss zwischen den Städten Gualeguaychú auf argentinischer und Fray Bentos auf uruguayischer Seite zu beenden. Seit November 2006 halten argentinische Umweltschützer und Gegner der Zellstofffabrik die Verbindung zwischen beiden Ländern besetzt. Sie haben nach dem Urteil aus Den Haag angekündigt, weiter gegen die Papierfabrik zu kämpfen.
Autorin: Mirjam Gehrke
Redaktion: Oliver Pieper