Anspannung vor palästinensischen Wahlen
6. Januar 2005Natürlich ist bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen am Sonntag (9.1.2005) in den palästinensischen Gebieten weiterhin alles offen. Ebenso natürlich aber gilt es weiter als sicher, dass der Kandidat der PLO, Mahmud Abbas, deutlicher Sieger werden wird. Vorsichtige Prognosen sagen dem 69-Jährigen eine Zweidrittelmehrheit voraus. Und niemand denkt ernsthaft, dass einer der sechs Mitkandidaten Abbas gefährlich werden könnte.
Ausgleich und Verständigung
Abbas hat nach dem Tod Jassir Arafats dessen Führungsrolle in der PLO übernommen und schickt sich nun an, die Geschicke der palästinensischen Gebiete in eine neue Richtung zu lenken. So beruft er sich zwar auf den verstorbenen Arafat, allen ist aber klar, dass Welten die beiden voneinander trennen. Obwohl auch Abbas zur Gründergeneration der "Fatah"-Bewegung gehört und obwohl auch er sich manchmal - wie zu Beginn der Woche - dazu hinreißen lässt, vom "zionistischen Feind" zu sprechen.
Doch Abbas steht für Ausgleich und Verständigung. Er trug die Oslo-Abkommen mit. Und er hat sich schon früh von der jetzt seit vier Jahren andauernden "Intifada" distanziert: Die Gewalt müsse aufhören, sie schade den Palästinensern nur, sagte Abbas. Als Ministerpräsident war er gescheitert - weil Arafat ihn damals daran hinderte, Gewalttäter zu verfolgen.
Israels Hoffnung
Ob er das nach seiner Wahl tun wird, ist ungewiss: Abbas weiß, dass er nicht der Traumkandidat der Palästinenser ist. Viele, die ihm jetzt im Wahlkampf zujubeln und die ihn wohl auch wählen werden, tun dies nur, weil die PLO ihn zu ihrem Führer gewählt hat. Sonst sind sie misstrauisch gegenüber diesem Mann, der vom Westen - vor allem aber von Israel - als große Hoffnung gehandelt wird.
So hütet sich Abbas denn auch, allzu deutlich gegen die Bewaffneten anzutreten: Sie seien die Helden, meint er. Und lässt sich von denen feiern, die er doch eigentlich entmachten will. Die Bewaffneten hätten eigentlich lieber Marwan Barghuti als Kandidaten - der aber sitzt mit fünfmal Lebenslänglich als vermeintlicher Terrorist in israelischer Haft und hat seine Kandidatur zurückgezogen. Andere würden einen Kandidaten der Islamisten - also vor allem der "Hamas" - bevorzugen. Den gibt es aber nicht. Die "Hamas" schießt zwar nicht quer, aber sie unterstützt diese Wahlen bisher auch nicht offen.
Die Gewalt geht weiter
Erst bei den in einigen Monaten geplanten Parlamentswahlen könnte die Islamisten-Gruppe zum Antritt als Partei bereit sein. Bis zu diesen Wahlen wird auch die "Fatah" - die größte Unterorganisation der PLO - eine politische Partei werden müssen. Das ist Teil des Reformprozesses, den der Westen von den Palästinensern erwartet und zu dem Mahmud Abbas sich verpflichtet hat.
Für die Wahlen hat Israel zwar volle Kooperation zugesagt, hat knapp 800 internationale Beobachter ins Land gelassen und die Wahl selbst im israelisch annektierten Ost-Teil Jerusalems zugelassen. Aber gleichzeitig setzt Israel seine Militäraktionen im Gazastreifen fort. Täglich kommen dort weiterhin Palästinenser um.
Und radikale Islamisten setzen ihre Raketenangriffe auf Israel fort - das ist wie eine Einladung an Israel, die militärische Eskalation fortzusetzen. Abbas appellierte bisher erfolglos an die Radikalen, diese Angriffe einzustellen, und auch in Israel kommt offenbar niemand auf die Idee, dass es auch trotz solcher Angriffe vielleicht nützlich wäre, auf Vergeltungsaktionen zu verzichten.
Die Wahlen finden deswegen in einer sehr angespannten Stimmung statt. Und wenn der wahrscheinliche Sieger Mahmud Abbas überhaupt eine Chance hat, die Dinge zu ändern, dann wird das mit Sicherheit einige Zeit dauern.