Pegida: 15.000 bei Anti-Islamisten-Demo
16. Dezember 2014"Es ist beschämend, dass diese dummen Leute durch unsere Stadt laufen. Das schadet Dresden und Deutschland", schimpft eine junge Frau Mitte 20 über die Anhänger der Pegida. Eine weitere Frau stimmt zu. "Wir müssen Flagge zeigen, und deutlich machen, wie die Mehrheit in Deutschland denkt - nämlich ausländerfreundlich!" Die rund 6000 Teilnehmer des Anti-Pegida-Bündnisses "Dresden für alle" wollen eine Willkommenskultur für Flüchtlinge und Einwanderer. Doch dieses Signal kommt bei jenen, die es hören sollen, gar nicht an.
Rund ein Kilometer entfernt liegt der Ort, an dem sich die Anhänger von Pegida zu ihrer Demonstration versammeln. Eine Hundertschaft der Polizei riegelt eine Hauptstraße zwischen den Gruppierungen ab, um zu verhindern, dass beide Seiten sich begegnen. Beabsichtigt ist ein solches Zusammentreffen oder gar ein Meinungsaustausch zwischen beiden Lagern aber ohnehin nicht. Der Zusammenschluss von Vertretern christlicher Kirchen, des Islamischen Zentrums und des Ausländerrates hat auf der Internetseite "dresden-nazifrei.com" erklärt, dass auch die Mitläufer von Pegida Rassisten seien. Mit ihnen rede man nicht. Diese Haltung nimmt bislang auch die Mehrheit der deutschen Innenpolitiker ein.
Keiner hört dem anderen zu
"Wir sind keine Nazis", empört sich eine gut gekleidete Dame in dem Pulk der geschätzten 15.000 Pegida-Demonstranten. Still und zurückhaltend steht die Mitt-Fünfzigerin zusammen mit ihrer Begleitung, einem Mann mit Hund, in der Menge und beobachtet, wie immer mehr Menschen zusammenströmen. 85 Prozent sind Männer - Junge und Alte. Sie unterhalten sich nur leise. Es gibt kein lautes Gegröle. Ein paar Deutschlandflaggen und nur wenige Plakate sind zu sehen. "Das sind hier überwiegend ganz normale Bürger, die diffamiert werden, nur weil sie sagen, was sie möchten", meint die Frau weiter. Der Mann an ihrer Seite pflichtet ihr bei: "Das ist doch das beste in der Demokratie, wenn Leute aufstehen und ihre Meinung äußern."
Schade sei, dass man in der Öffentlichkeit missverstanden werde. Man sei nicht ausländerfeindlich, habe selbst viele Menschen mit Migrationshintergrund im Freundes- und Kollegenkreis, erzählen die beiden Dresdner, die sich als Gerwald und Bärbel vorstellen. "Wir haben auch nichts gegen den Islam. Aber wir haben Angst vor islamistischen Extremisten."
Deshalb müsse unbedingt viel besser kontrolliert werden, wer nach Deutschland ein- und ausreise, meinen die beiden Pegida-Anhänger. Ähnlich der Einwanderungspolitik in Kanada, Australien oder der Schweiz sollten Einwanderer stärker nach ihrer Qualifikation ausgewählt werden. Diese "Sortierung nach Nützlichkeit" lehnen die Pegida-Gegner auf ihrer Kundgebung entschieden ab. Ein solches Verhalten sei "menschenverachtend". Auch habe Deutschland aus seiner Geschichte heraus eine besondere Verpflichtung gegenüber den Menschen, die Zuflucht suchen.
Sorge um überforderte Kommunen?
"Das mit den 200.000 Einwanderern pro Jahr kann doch nicht so weitergehen", meint Bärbel fassungslos. Das würde Deutschland finanziell überfordern. "Wenn wir so reich sind, das wir uns erlauben können, Ausländer so lange zu beherbergen und zu versorgen, bis viel zu lange Asylverfahren nach ein zwei Jahren abgeschlossen sind, dann hätte ich auch gerne, dass wir generell das Essen an Schulen finanzieren und alle Kindergartenplätze kostenfrei anbieten." Man könne nicht bei Einwanderern großzügig sein und bei den in Deutschland lebenden Bürgern immer mehr sparen, hört man immer wieder.
Ein Zuhörer schaltet sich an diesem Punkt ein. Günter ist 75 und mag sich nicht an das Redeverbot der Organisationsleiter halten. Als ehemaliges Mitglied der Partei CDU und als engagierter CDU-Kreisvorsitzender habe er Sorge, dass Gemeinden mit dem Ehrgeiz mancher Politiker, alles möglich machen zu wollen, einfach überfordert seien. Soziale Brennpunkte wie im Ruhrgebiet wolle man in Ostdeutschland eben nicht haben. Wenn sich Deutschland unbedingt aufgrund seiner besonderen historischen Verantwortung für die Welt sozial engagieren wolle, dann sollten lieber Friedensmissionen und Diplomatie in der Welt stärker unterstützt und Waffenexporte eingestellt werden, lautet Günters Bitte. Bei vielen Argumenten der Pegida-Anhänger wird deutlich: Es geht weniger um Fakten als vielmehr um Gefühle. Das verhinderte bisher oft eine sachliche Diskussion und schuf tiefes Misstrauen.
Gespräche sollen Ruhe bringen
Die stetig steigende Anzahl der Pegida-Anhänger hat bisher zurückhaltende Politiker zum Umdenken gezwungen. Man will sich jetzt mit der Gruppierung über zukünftige Einwanderungspolitik unterhalten. Auf Augenhöhe. Das soll in nächster Zeit an einem runden Tisch unter Leitung der Landeszentrale für politische Bildung geschehen. Das wäre die Chance, Pegida zu zwingen, sich mehr mit Fakten auseinander zu setzen: Danach gilt die überwiegende Mehrheit der in Deutschland lebenden Muslime als voll integriert.