DFL und DFB im Dilemma
1. Juni 2020Schalkes Weston McKennie trug eine Armbinde mit der Aufschrift "Justice for George" (Gerechtigkeit für George), Mönchengladbachs Marcus Thuram beim Torjubel fiel demonstrativ auf ein Knie und die beiden Dortmunder Profis Jadon Sancho (Foto) und Achraf Hakimi brachten ihre Empörung über die brutale Festnahme George Floyds, in deren Folge der 46-Jährige am 25. Mai gestorben war, auf ihren T-Shirts zum Ausdruck. Floyds Tod hatte in den USA eine heftige Protestwelle ausgelöst.
Unterstützung von den Vereinen
"Wir müssen für das einstehen, woran wir glauben, und ich glaube, dass es an der Zeit ist, dass wir gehört werden!", schrieb McKennie später bei Twitter, der mit seiner politischen Äußerung gegen die Regularien der Deutschen Fußball Liga (DFL) verstieß. Sein Verein, der FC Schalke 04, stellte sich demonstrativ hinter seinen Spieler. "Wir als Schalke 04 unterstützen die Haltung unseres Spielers zu einhundert Prozent. Der gewaltsame Tod des US-Bürgers George Floyd hat die Menschen weltweit schockiert. Unser Spieler Weston McKennie hat gestern ein klares Zeichen gegen diese unfassbare Tat und gegen Rassismus gesetzt", sagte Sportchef Jochen Schneider der "Bild".
Auch die Gladbacher begrüßten Marcus Thurams Kniefall nach seinem Treffer zum 2:0 gegen Union Berlin. Der Jubel des Franzosen nahm Anleihe beim einst von US-Football-Profi Colin Kaepernick initiierten "Take a knee"-Protest gegen Gewalt gegen People of Color. "Gemeinsam kommen wir voran. Gemeinsam verändern wir etwas", kommentierte Thuram später bei Instagram ein Foto seiner Aktion. "Er hat es auf den Punkt gebracht, er hat ein Zeichen gegen Rassismus gesetzt, was wir natürlich alle komplett unterstützen", verteidigte Gladbachs Trainer Marco Rose seinen Spieler. "Ich glaube, dass alle das komplett mittragen, dass alle den gleichen Gedanken tragen wie er." Der Klub schrieb zu einem Foto auf Twitter: "Besonderer Moment im Borussia-Park". Der englischsprachige Account der Gladbacher twitterte: "Keine Erklärung erforderlich".
Dilemma für den DFB
Egal ob kniend, per Armbinde oder mit einer Aufschrift auf dem T-Shirt - alle vier Spieler setzten ein Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt, das einige Kritik, aber auch viel Beifall erntete, und nun den Deutschen Fußball-Bund (DFB) beschäftigen wird. "Der Kontrollausschuss des DFB wird sich im Laufe der nächsten Tage dieser Angelegenheit annehmen und den Sachverhalt prüfen", sagte Anton Nachreiner, der Vorsitzende des Gremiums, am Pfingstsonntag.
Ligaverband und Fußballbund geraten in ein Dilemma. Denn auch wenn sie selbst immer wieder Anti-Rassimuskampagnen initiieren und unterstützen, sind sie durch ihr eigenes Regelwerk dennoch dazu verpflichtet, eine Untersuchung einzuleiten und die Spieler möglicherweise sogar zu sanktionieren. Grundsätzlich erlauben sowohl DFL als auch DFB keine politischen Botschaften auf der Spielkleidung oder während der Partien. In der "DFL-Richtlinie zu Spielkleidung und Ausrüstung" heißt es: "Politische und/oder andere Mitteilungen auf den Ausrüstungsgegenständen sind keinesfalls erlaubt."
Ungeachtet dessen gab es von DFB-Präsident Fritz Keller aber bereits Zuspruch für McKennie und Co.: "Wenn Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert werden, dann ist dies unerträglich. Wenn sie aufgrund ihrer Hautfarbe sterben, dann bin ich tief bestürzt. Die Opfer von Rassismus brauchen unser aller Solidarität", wird Keller auf der Internetseite des DFB zitiert und verweist auf das "breite Engagement" des Verbands und sein "klares NEIN zu Rassismus, Diskriminierung und jeder Form von Gewalt". "Ich habe großen Respekt vor Spielerinnen und Spielern, die Haltung haben und ihre Solidarität zeigen, solche mündigen Spielerinnen und Spieler wünsche ich mir, auf sie bin ich stolz", so Keller weiter.
Wie im Fall Anthony Ujah?
Was also wird nun passieren? Wird der DFB-Kontrollausschuss tatsächlich so weit gehen und McKennie, Hakimi, Sancho und Thuram sanktionieren? Die Antwort ist: Er kann es kaum. Es würde die eigenen Bemühungen, Rassismus einzudämmen und zu bekämpfen, komplett konterkarieren und nur Wasser auf die Mühlen derjenigen schaufeln, mit denen man lieber nicht einer Meinung sein möchte.
Wahrscheinlich wird es daher so laufen, wie 2014 im Fall Anthony Ujah. Der damalige Kölner und heutige Spieler von Union Berlin zeigte damals ein T-Shirt mit der Aufschrift "I can't breathe" (Ich kann nicht atmen). Er bezog sich dabei auf den US-Amerikaner Eric Garner, ebenfalls eine Person of Color und ebenfalls Opfer weißer Polizisten. Garner verstarb bei seiner Festnahme an einem Asthmaanfall. Sein Hilferuf "I can't breathe" wurde von den Polizeibeamten ignoriert, Wiederbelebungsversuche gab es nicht. Der DFB beließ es vor sechs Jahren im Fall Ujah bei einer Ermahnung und einer Erinnerung an das Verbot von politischen Statements.