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Antisemiten stören Online-Holocaust-Gedenken

21. April 2020

Mit Hitler- und Hakenkreuz-Fotos sowie "Palästina"-Rufen unterbrachen die Störer die von Israels Botschaft organisierte Veranstaltung. Ein zugeschalteter Holocaust-Überlebender blieb ruhig, aufgewühlt ist er dennoch.

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Die KZ-Gedenkstätte Sobibor in Polen. In dem Lager wurden die Eltern von Zvi Herschel ermordet  (Foto: picture-alliance/dpa/P. Wierzchowski)
Die KZ-Gedenkstätte Sobibor in Polen. In dem Lager wurden die Eltern von Zvi Herschel ermordet Bild: picture-alliance/dpa/P. Wierzchowski

Am Vorabend des Holocaust-Gedenktags ist eine von der israelischen Botschaft in Berlin organisierte Video-Diskussion mit einem Überlebenden gestört worden. Botschafter Jeremy Issacharoff schrieb auf Twitter, "anti-israelische Aktivisten" hätten sich am Montag in die Videokonferenz eingeschaltet, Bilder von Adolf Hitler gezeigt und antisemitische Slogans gerufen. "Die Veranstaltung musste unterbrochen werden." Nach einer kurzen Pause habe man sie aber ohne die Störer fortsetzen können, schrieb Issacharoff. "Das Gedenken an den Holocaust und die Würde des Überlebenden zu missachten ist mehr als beschämend und schändlich und zeigt die eklatante antisemitische Einstellung der Aktivisten."

Israels Botschafter in Berlin, Jeremy Issacharoff  (Foto: Getty Images/AFP/J. Macdougall)
Israels Botschafter in Berlin, Jeremy Issacharoff Bild: Getty Images/AFP/J. Macdougall

"Der heutige Antisemitismus ist sehr, sehr stark"

Zu der Veranstaltung war aus Israel der 77 Jahre alte Holocaust-Überlebende Zvi Herschel zugeschaltet. Dieser selbst teilte mit, neben Hitler- und Hakenkreuz-Bildern seien auch Pornos zu sehen gewesen, zudem seien "Palästina, Palästina"-Rufe ertönt. Trotz allem sei er "sehr ruhig" geblieben. "Auf eine Art ist das ein Beispiel, das ich benutzen kann", betonte Herschel, der weltweit vor jungen Menschen Vorträge über den Holocaust hält. Es zeige, wie feige diese Leute seien. "Aber es ist banker Antisemitismus, und der heutige Antisemitismus ist sehr, sehr stark."

Herschel wurde im Dezember 1942 in den von Nazi-Deutschland besetzten Niederlanden geboren. Während seine Eltern im Sommer 1943 in das Vernichtungslager Sobibor deportiert und dort ermordet wurden, überlebte Herschel bei einer protestantischen Familie. 1986 wanderte er nach Israel aus.

"Der Vorfall bestätigt alle Befürchtungen"

Die Veranstaltung auf der Online-Plattform Zoom war vor wenigen Tagen von der Botschaft auf Facebook angekündigt worden und nach Angaben einer Sprecherin offen für alle Interessenten. Die Botschaft erwäge nun, Anzeige gegen die Störer zu erstatten, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Video- oder Tonaufnahmen von der Veranstaltung gebe es nicht.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, reagierte empört. "Der Vorfall bei der Online-Gedenkfeier der israelischen Botschaft bestätigt alle Befürchtungen: Rechtsradikale nutzen die Corona-Krise skrupellos aus, um ihr braunes Gift zu verbreiten. Dabei schrecken sie wie immer nicht davor zurück, das Leiden der Schoa-Überlebenden mit Füßen zu treten und sie erneut zutiefst zu verletzen", kritisierte Schuster. Einen ähnlichen Vorfall habe es jüngst auch in der jüdischen Gemeinde in Düsseldorf bei einer religiösen Online-Zeremonie gegeben. "So sehr die staatlichen Ressourcen durch die Pandemie gebunden sind, darf trotzdem der Kampf gegen den Rechtsextremismus nicht vernachlässigt werden."

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, im Oktober 2019 bei einer Gedenkfeier in Halle (Foto: AFP/R. Hartmann)
Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, im Oktober 2019 bei einer Gedenkfeier in HalleBild: AFP/R. Hartmann

"Bodenlose Respektlosigkeit gegenüber den Überlebenden"

Bundesaußenminister Heiko Maas verurteilte den Angriff auf die Online-Veranstaltung "als eine unbeschreibliche Schande". Dies sei eine "bodenlose Respektlosigkeit gegenüber den Überlebenden und dem Gedenken an die Verstorbenen", erklärte er über Twitter. Auch der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zeigte sich entsetzt. Er begrüßte es, dass die israelische Botschaft angesichts der Corona-Auflagen mit der Veranstaltung neue Wege gegangen sei. Er könne die Botschaft nur ermutigen, Anzeige zu erstatten, und hoffe auf einen schnellen Fahndungserfolg.

In Israel wurde an diesem Dienstag der Holocaust-Gedenktag begangen. Landesweit heulten am Vormittag zwei Minuten lang die Sirenen. Menschen, die trotz der Ausgangsbeschränkungen wegen der Corona-Pandemie unterwegs waren, hielten im Gedenken an die sechs Millionen durch die Nazis ermordeten Juden inne. 75 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges leben nach israelischen Regierungsangaben noch 189.500 Überlebende des Holocaust in Israel.

sti/uh (afp, dpa, epd)