Arabische Presse: "Luftschlag läuft ins Leere"
14. April 2018Gewiss, der Luftschlag war ein starkes Signal. Aber wird es auch etwas bewirken? Der syrische Analyst Amr Kush zweifelt daran. In der panarabischen Plattform "Al Araby Al-Jadeed" schreibt er: "Dem Luftschlag fehlt etwas Wesentliches: ein flankierendes politisches Programm."
Kush hatte bereits am Vorabend der Militäraktion vermutet, dass der Angriff eine isolierte Aktion bleiben würde: "Wie stark dieser Schlag auch immer sein mag, er wird es nicht schaffen, das Assad-Regime zum Sturz zu bringen", scheibt er. Im Gegenteil: Er könnte Assad und seinen beiden wesentlichen Verbündeten, Russland und Iran, sogar nützen, da er jede weitergehende Strategie vermissen lasse. Immerhin: "Vielleicht bewirkt der Luftschlag ja, dass die Genfer Gespräche um Syrien auf Basis der UN-Resolutionen neuen Schwung erhalten."
"Angriffe werden Triumph Russland und Irans nicht verhindern"
Auch der TV-Sender Al-Jazeera zweifelt an einer anhaltenden Wirkung des Militärschlages. Der Kolumnist Ibrahim al-Marashi erinnert an den ersten US-Angriff gegen Syrien vor einem Jahr. Auch dieser hatte als Reaktion auf einen mutmaßlich vom Assad-Regime verantworteten Giftgasanschlag stattgefunden.
"Das Ergebnis beider Luftschläge ist dasselbe", vermutet al-Marashi. "Beide sind vor allem symbolische Aktionen, mit geringen Auswirkungen vor Ort. Und beide lassen erkennen, dass die USA keine langfristige Strategie in Syrien haben." Eben darin unterschieden sich die USA von Russland und Iran. Beide wüssten sehr wohl, was sie wollten, nämlich zuerst einmal den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stützen. "Die Angriffe der vergangenen Nacht werden den langfristigen Sieg der beiden Akteure nicht verhindern."
"Syrer sollen nicht Assad hassen"
Entscheidend sei nun, wie die Syrer selbst den Luftschlag beurteilten, schreibt der Analyst Hazem Saria in der panarabischen und westlich orientierten Zeitung "Al-Hayat", die in London erscheint. Die Antwort des Regimes sei klar: Es werde versuchen, die Reaktionen in die ihm genehme Richtung zu kanalisieren: "Die Syrer, auf deren Köpfe die Fassbomben fallen, sollen nicht Assad und sein Regime hassen, sondern Amerika. Sie, die Assad mit Chemiewaffen angreift, sollen nicht ihn und seine Regierung hassen, sondern stattdessen Israel verfluchen", schreibt Hazem Saria und fasst damit die Argumentation der regimenahen Presse zusammen.
Assad-Regime sitzt fest im Sattel
Die humanitäre Bilanz des Bürgerkrieges dürfte Assads Bundesgenossen nicht sonderlich beschäftigen, vermutet die palästinensische Zeitung "Al Quds al-Arabi", die ebenfalls in London erscheint. Russland und Iran hätten so massive Interessen in Syrien, dass ethische Erwägungen keine Rolle spielten.
"Russland wird Verhandlungen um den Kopf Assads nicht zulassen, und zwar aus dem einfachen Grund, dass er die politische Legitimation für die Intervention Moskaus liefert. Auch der Iran wird sich schlichtweg weigern, Syrien zu verlassen." Der Angriff werde darum ins Leere laufen, mutmaßt das Blatt.
"Denn selbst wenn Assad in irgendeiner Form abtreten würde, würde er durch irgendeine Hintertür wieder auf die politische Bühne treten - genauso, wie wir es mit den Chemiewaffen gesehen haben." Die Anspielung ist klar: Das Assad-Regime dürfte aufgrund der geschlossenen internationalen Vereinbarungen nicht mehr über Chemiewaffen verfügen. Tatsächlich aber waren sie vorhanden- und wurden eingesetzt.
Optimistischer zeigt sich der ehemalige israelische Botschafter in den USA, Michael Oren. "Der von den USA angeführte Luftschlag ist von hoher Bedeutung für die Sicherheit Israels, den Nahen Osten und die gesamte Welt", zitiert ihn die Zeitung "Jerusalem Post". "Er beweist, dass Trump bereit ist, zu den von ihm gezogenen roten Linien hinsichtlich der von Assad eingesetzten Chemiewaffen zu stehen. Es ist eine scharfe und deutliche Botschaft: Die USA werden nicht zulassen, dass er damit fortfährt."
Rhetorik der Hisbollah
Die Israelis verfolgen die Luftschläge mit besonderer Aufmerksamkeit. Insbesondere achten sie auf die Reaktion der libanesischen Hisbollah, deren Kämpfer direkt an der Grenze zu Israel stehen. Der Fernsehsender "Al Manar" aus Beirut, der als Sprachrohr der Hisbollah gilt, bezeichnete den Luftschlag als "Aggression und bösartige Attacke, die die Souveränität Syriens und die Würde seiner Bevölkerung eklatant verletzt."
Das Blatt spricht von einem "gegen die Bevölkerung der Region gerichteten Krieg". Der aber werde seine Ziele nicht erreichen. "Die islamische Gemeinschaft wird aus der Auseinandersetzung stärker hervorgehen und sich dem Kampf entschlossen stellen." Die Rhetorik von "Al-Manar" gleicht dem Tenor der Zeitung "Al-Hayat". Und wie bei diesem dürfte sie auch im Libanon nur bei einem Teil der Bevölkerung verfangen. Der aber könnte groß genug sein, um den Konflikt weiter voranzutreiben. Das Ende des Krieges in Syrien ist nicht in Sicht.