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Arbeitgeber kritisieren Staat - Kanzler bittet um Vertrauen

17. Oktober 2023

Energiepreise, Bürokratie, Steuern - die Wirtschaft ist mit dem Standort Deutschland unzufrieden. Auf dem Arbeitgebertag wird Kritik laut. Der Kanzler gelobt Besserung.

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Eine Mitarbeiterin von Rolls Royce Power Systems baut einen Motor zusammen
Motoren-Montage bei Rolls Royce Power Systems Bild: Felix Kästle/dpa/picture alliance

Bundeskanzler Olaf Scholz erwartet baldige Fortschritte bei der Modernisierung Deutschlands. Der SPD-Politiker sagte am Dienstag beim Arbeitgebertag in Berlin, er sei sehr zuversichtlich, dass sich die Bundesregierung mit den Ländern Anfang November darauf verständigen werde, viele Vorschriften zu verändern, damit Deutschland schneller werde. Scholz hatte einen "Deutschland-Pakt" vorgeschlagen. Er wolle alles tun, damit das gelinge, sagte der Kanzler.

An die Adresse der Arbeitgeber sagte Scholz, er bitte um Vertrauen. Der Kanzler sagte mit Blick auf die Bürokratie und lange Planungs- und Genehmigungsverfahren, jahrzehntelang habe man in Deutschland dafür gesorgt, das es sehr kompliziert geworden sei. "Wir haben es übertrieben."

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger forderte die Bundesregierung zum Handeln auf. "Die Lage in unseren Betrieben ist ernst." Dulger beklagte zu viel Bürokratie, zu lange Planungs- und Genehmigungsverfahren, steigende Sozialabgaben, eine hohe Steuerlast oder im internationalen Vergleich hohe Energiepreise. Der Standort Deutschland habe an Attraktivität verloren, viele Gründe seien hausgemacht. "Die Stimmung in der Breite der Wirtschaft ist gekippt", sagte der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit müsse in den Mittelpunkt des politischen Handelns gestellt werden.

Bundeskanzler Scholz auf dem Arbeitgebertag in Berlin
Bittet um Vertrauen, verspricht zu handeln: Bundeskanzler Scholz auf dem Arbeitgebertag in BerlinBild: Soeren Stache/picture alliance/dpa

"Teile der Ampel hören uns nicht zu"

Einer vom Arbeitgeberverband BDA in Auftrag gegebenen Forsa-Umfrage zufolge machen sich derzeit 82 Prozent der Unternehmer große Sorgen um den Standort, unter anderem wegen hoher Energiepreise und fehlender Fachkräfte. Unternehmer bräuchten Planungssicherheit, um die Weichen im eigenen Betrieb richtig stellen zu können. "Die Standortbedingungen stimmen nicht mehr", sagte Dulger, der von seinem Verband gerade in geheimer Wahl einstimmig für eine weitere zweijährige Amtszeit bestätigt wurde. Er vertritt die Interessen von mehr als einer Million Firmen mit über 30 Millionen Beschäftigten. 70 Prozent der Unternehmer forderten in der Umfrage Verbesserungen im Bildungssystem, 85 Prozent einen Abbau der Bürokratie, 69 Prozent eine Modernisierung und Digitalisierung der Verwaltung.

Bereits kurz vor dem Arbeitgebertag hatte Dulger die Ampel-Koalition kritisiert. Arbeitsmarkt, Wirtschaftssystem und Energiepolitik seien in Deutschland überreguliert, hatte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom Dienstag gesagt. Es sei schwer, sich als Unternehmer oder Arbeitnehmer zu entfalten. "Aber Teile der Ampel hören uns nicht zu. Wir erleben einen wirtschaftspolitischen Stillstand in der Zeitenwende - der Zug ist schon zu Beginn der Strecke stehen geblieben."

Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), spricht während des Deutschen Arbeitgebertages 2023.
"Die Stimmung in der Wirtschaft kippt": Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)Bild: Soeren Stache/picture alliance/dpa

Vorschriften "dick wie Telefonbücher" 

Hauptthema des Arbeitgebertages ist die Konjunkturflaute in Deutschland. Die Bundesregierung erwartet für dieses Jahr einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,4 Prozent. Wirtschaftsverbände fordern seit langem Entlastungen für Unternehmen. Dulger beklagte, die Energiekosten seien auch wegen der Steuern und Abgaben zu hoch. Auch sonst habe Deutschland mit die höchsten Steuern und Lohnzusatzkosten. Die Infrastruktur sei gerade auch im Verkehr marode. Die Digitalisierung der Verwaltung finde noch gar nicht richtig statt. "Schauen Sie, wie weit Polen, Tschechien, Ungarn und das Baltikum ihre Verwaltungsabläufe digitalisiert haben. Das spielt alles in die Angebotsbedingungen eines Standorts hinein", sagte Dulger.

Der Verbandspräsident kritisierte auch die Bürokratie, die aus Brüssel kommt und nannte das Lieferkettengesetz oder die Richtlinie für Sozialreports, die Großunternehmen jährlich erstellen müssen. Allein der Leitfaden für den Sozialreport sei fast so dick wie das Frankfurter Telefonbuch. "Das ist bürokratischer Wahnsinn, was da vor allem aus Brüssel zusätzlich über uns ausgeschüttet wird." Deutschland setze solche Regeln oft viel strenger als im Rest der EU um.

Dulger kritisierte auch die Klimapolitik der Ampel-Koalition. Auf die Frage, ob der Staat nicht Richtung Klimaneutralität umsteuern solle, sagte er: "Eine absterbende Wirtschaft als Kollateralschaden billigend in Kauf zu nehmen, um Klimaschutzziele zu erreichen, hielte ich jedenfalls für grundfalsch." Dies sähen auch viele Menschen so, was nicht zuletzt die Ergebnisse der Ampel-Parteien in den jüngsten Landtagswahlen gezeigt hätten. "Geht es der Wirtschaft schlechter, dann schwächt das den Sozialstaat", sagte der Verbandspräsident.

hb/iw (dpa, rtr)