Architektur in der Elfenbeinküste: Zurück zur Moderne
In der Elfenbeinküste boomte modernes Bauen während der frühen Unabhängigkeitsjahre. Heute will das Land wieder an diesen Geist anknüpfen - mit der ersten ivorischen Architekturschule und neuen Impulsen urbanen Bauens.
Junge Staaten ohne eigene Architekten
Nach ihrer Unabhängigkeit brauchten viele junge Staaten Westafrikas Regierungsgebäude, Banken und Universitäten. Sie holten Architekten aus dem Ausland, da es an eigenen Architekten mangelte. Der Franzose Henri Chomette schuf viele bedeutende Gebäude und Brücken in der Elfenbeinküste, im Senegal und in Burkina Faso. Hier das Rathaus des Bezirks Plateau im ivorischen Abidjan, gebaut 1956.
Modernes Wahrzeichen - damals wie heute
Das Hôtel Ivoire gehört bis heute zu den markantesten Gebäuden Abidjans. Es ist das einzige Fünf-Sterne-Hotel und Kongresszentrum der Wirtschaftsmetropole. Entworfen wurde es von den israelischen Architekten Heinz Fenchel und Thomas Leitersdorf, mit dem Bau wurde im Jahr 1963 begonnen.
Futuristische Entwürfe auf hohem Niveau
"In den 1960er und 70er Jahren wurde Architektur auf Weltklasseniveau in Westafrika gebaut. Man wollte unbedingt mit Europa und den USA mithalten", sagt der deutsche Architekt Manuel Herz. Die Entwürfe waren teilweise gewagt, wie die Pyramide in Abidjan, die vom Italiener Rinaldo Olivieri entworfen und von 1968 bis 1973 gebaut wurde. Das ehemalige Einkaufszentrum steht heute allerdings leer.
Chaotisches Stadtbild, mangelnde Sicherheit
Spätestens seit den 1990er Jahren hat die Elfenbeinküste den Anschluss an modernes Bauen verpasst. Während der wirtschaftlichen und politischen Krisen bis 2012 vernachlässigte der Staat zudem seine Regulierungspflicht im Bausektor. Gebaut wurde ohne Genehmigungen und Architekten. Das Ergebnis: ein chaotisches Stadtbild und Sicherheitsmängel. Regelmäßig kollabieren Häuser in der Regenzeit.
Bauboom fordert mehr Architekten
Die friedlich verlaufene Wahl 2015 mit Präsident Alassane Ouattara als Sieger war für viele Investoren das Zeichen, dass die Elfenbeinküste die Krise überstanden hat. Die Regierung hat ihre Entwicklungsziele bis 2020 festgelegt. Dazu gehören neue Krankenhäuser, Brücken und der Wohnungsbau. Der Bausektor boomt. Das Land braucht mehr Architekten.
Erste Architektenschule der Elfenbeinküste
Die Leiterin der ersten Architekturschule Abidjan hat noch im Ausland studiert. Ihre Studentin gehört zu den ersten zwanzig jungen Ivorern, die in ihrem eigenen Land ausgebildet werden. Der Mangel an Architekten ist groß: Momentan sind gerade einmal 177 Personen in der Architektenkammer der Elfenbeinküste registriert - in einem Land mit 23 Millionen Einwohnern.
Das Traditionelle im Modernen
Auf dem Lehrplan der Architekturstudenten steht neben Technischem Zeichnen und Design auch die Kulturgeschichte ihres Landes. Sie unternehmen Exkursionen, um traditionelle Bauweisen und Materialien kennen zu lernen. "Wir wollen nicht mehr den Westen kopieren", sagen die Studenten. "Unsere ivorische Kultur muss sich auch in der modernen Architektur niederschlagen."
Architekten als Designer und Entwickler
Issa Diabaté gehört zu den Stararchitekten der Elfenbeinküste. Er hat in den USA studiert und ist international ein gefragter Redner zur urbanen Entwicklung Afrikas. "Wie wollen wir in 20 Jahren wohnen? Wie wird sich unsere Gesellschaft verändern? Das müssen wir uns jetzt fragen." Er sieht Architekten in der Elfenbeinküste nicht nur als Designer, sondern auch als Entwickler städtischer Strukturen.
Wohnen und moderne Infrastruktur
Das aktuelle Projekt des ivorischen Architektenbüros Koffi & Diabaté: 32 Wohneinheiten mit Tiefgarage. Wenn die Begrünung nachgewachsen ist, dient sie als natürlicher Schattenspender. Fußwege und öffentliche Sitzmöglichkeiten sind in Abidjan keine Selbstverständlichkeit: Hier wohnt nur, wer es sich leisten kann. Mit ihrem nächsten Projekt planen die Architekten ein sozial gemischtes Quartier.
Außen universell, innen lokal
"Lokales Bauen heißt nicht unbedingt, dass afrikanische Muster die Gebäude zieren. Vielmehr zeigt es sich in der Funktionalität im Innern eines Hauses", erklärt Issa Diabaté. In diesem Beispiel sorgt eine Wand aus Bambus für Schatten und lässt die Luft zirkulieren. Große Schiebetüren sorgen für Kreuzlüftung.
Nachhaltigkeit durch lokale Materialien
"Normalerweise bauen wir in der Elfenbeinküste Kirchen nach dem Vorbild der europäischen Missionare: aus Stein. Doch in unserer alten Kirche war es wirklich heiß", erzählt Pfarrer Richard Ehounou. Die neue katholische Kirche in Assinie ist aus ivorischem Holz gebaut. Sie trägt ein Wellblechdach mit Lüftungsklappen - Luftzirkulation ohne Klimaanlage oder Ventilatoren.