1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Architektur ohne "Wow-Effekt"

4. Dezember 2009

Rechtzeitig zum Kulturhauptstadtjahr 2010 bekommt Essen sein neues Folkwang-Museum. Eröffnung ist erst Ende Januar, aber das Gebäude konnte man jetzt schon besichtigen – zusammen mit dem Architekten: David Chipperfield.

https://p.dw.com/p/KqI8
Neubau Museum Folkwang, Eingangshof (Foto: Wolf Haug)
Der EingangshofBild: Museum Folkwang/NMFE GmbH

Einfach ein Haus für Bilder - das ist der erste Gedanke beim Anblick der geradlinigen und unspektakulären Innenwelt des neuen Folkwang-Museums. Wie sich Kunst und Räumlichkeiten vertragen, darüber wird allerdings erst in zwei Monaten das letzte Wort gesprochen, wenn das Museum der Öffentlichkeit übergeben wird. Dann werden die Essener es zum ersten Mal von der stadtzugewandten Bismarckstraße her betreten statt von der rückwärtigen Wohnstraße her: Das Folkwang- Museum öffnet sich der Stadt.

Leichtigkeit und Transparenz

Von Haus aus ist ein Museum eine massive Angelegenheit. Für die Hängung von Kunstwerken braucht es Wandfläche und davon soviel wie möglich. David Chipperfield transformiert diese Massivität ohne Schnickschnack und ohne formale Verrenkungen, eben ohne den von ihm sowieso nicht geschätzten "Wow-Effekt", in erstaunliche Leichtigkeit: gläserne Transparenz, fließende Übergänge, Durch- und Ausblicke charakterisieren den Neubau: drei schlichte Baukörper, die trotzdem nach keiner Seite abweisend wirken. Die Fassade schimmert in jenem hellgrün, das vor über 100 Jahren Otto Wagner in seinen Wiener Großbauten populär machte, und wird aufgelockert durch große Glasflächen, die auch die Stimmung im Innern heben. Verbunden sind die Gebäude durch grüne Innenhöfe, untereinander und auch mit dem alten Folkwang-Museum aus den 1950er Jahren.

Neubau Museum Folkwang, Foyer (Foto: Wolf Haug)
Bild: Museum Folkwang/NMFE GmbH

Der Geist der Fünfziger

David Chipperfield tat es um den Teil des Museums, der weichen mußte, nicht leid: Das 80er-Jahre-Gebäude sei unübersichtlich und unfreundlich gewesen. Anders der Trakt aus den Fünzigern: Warum war er so beliebt? Weil er einfach war, sagt Chipperfield. Diese Einfachheit wollte er übernehmen, ebenso die Durchlässigkeit der Räume, die Ausblicke aus dem Gebäude, und die Konzentration auf eine Stockwerksebene. Dies war die DNA, die man übernehmen konnte. So leiten eingelassene Glaswände auch im Neubau den Blick immer wieder nach draußen, eine Sichtachse läuft geradewegs auf eine hübsche Villa zu, ein anderer Ausblick geht auf ein triviales Mietshaus – soviel Realität muss sein.

Konzept für das 21. Jahrhundert

Im Januar wird hier die Dauerausstellung des Folkwang-Museums neu präsentiert: die weltberühmte Sammlung von Karl-Ernst Osthaus, die 1921 nach Essen kam. Werke der klassischen Moderne sowie der außereuropäischen Kunst verbunden in einem Konzept von Weltkultur, die dem 21. Jahrhundert angemessen ist. Dazu die Plakatsammlung, die fotografische und die grafische Kunst: Für alles stehen in Chipperfields Neubau die Räumlichkeiten schon fest. Ein großer Saal für Wechselausstellungen bietet raffinierte Hängevorrichtungen für flexible Wände, auch hier, wie fast überall, kann man das Wetter draußen verfolgen: Tageslicht fällt ein nicht nur von der Seite, sondern auch von oben.

Neubau Museum Folkwang, Freitreppe zum Eingangshof (Foto: Wolf Haug)
Bild: Museum Folkwang/NMFE GmbH

Weniger ist mehr

Fast mag man nicht glauben, dass dieses Museum für genau die 55 Millionen, die die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung – beziehungsweise ihr Vorsitzender Berthold Beitz – dafür spendiert hat, gebaut werden konnte. Tatsächlich bekennt sich die Stadt Essen ansonsten nur zu den 7 Millionen für die Tiefgarage. Zeitdruck und die Schlichtheit des Baus mögen hier geholfen haben, Berthold Beitz hat jedenfalls ein Ziel erreicht: Er wollte Essen ein bisschen "feiner" machen. Der Anblick der Fassade mit ihren warm strahlenden Glasplatten ist allerdings nobel. Sie sind übrigens aus recyceltem Glas. Bei diesem Anblick könnte man endlich mal einen Sinn darin sehen, leere Flaschen in die dafür vorgesehenen Extra-Container zu entsorgen: Die braunen, die weißen und die grünen.

Autorin: Beatrix Novy
Redaktion: Petra Lambeck