Arme Städte, reiche Städte
10. Juni 2015Die Kluft zwischen armen und reichen Kommunen wird immer größer, moniert der Deutsche Städtetag. Auf der jährlichen Hauptversammlung (10. und 11.Juni) in Dresden wollen die rund 1.000 Delegierten unter anderem mehr Geld vom Bund einfordern. Denn die kommunale Selbstverwaltung stehe auf dem Spiel, argumentieren die Stadt- und Gemeindeoberhäupter. Die Gründe für Armut und Reichtum sind vielfältig: Eine Auswahl.
Krösus Wolfsburg
Die Einnahmen von Städten und Kommunen fließen aus unterschiedlichen Bereichen. Die wichtigste Einnahme-Quelle ist die Gewerbesteuer. Wer wie Wolfsburg VW als Steuerzahler hat, muss sich um einen ausgeglichenen Haushalt nicht sorgen. Auf jeden Wolfsburger entfallen mehr als 2000 Euro Gewerbesteueraufkommen: das ist Rekord.
Wenn Kern-Industrien wegbrechen
Bei den Ausgaben macht der Gesetzgeber Auflagen. Zu bezahlen sind vor allem die Sozialleistungen. Wie aus finanzstarken Kommunen innerhalb von Jahrzehnten schwache werden, ist vor allem im Ruhrgebiet zu besichtigen. Der Strukturwandel in der ehemaligen Bergbau-Region gleicht nicht aus, was weggebrochen ist. Aus Arbeitnehmern sind HartzIV-Empfänger geworden. Ganz aktuell der Fall Bochum: Die Opel-Werke gaben tausenden ehemaligen Bergleuten Anfang der 60er Jahre wieder Arbeit. Nun ist der Autobauer selbst verschwunden. Statt fast 20.000 Arbeitnehmern haben mittlerweile nur etwas mehr als 1000 einen Job bei Opel.
Trauerspiel NRW
Das einwohnerstärkste Bundesland Nordrhein-Westfalen gilt als kranker Riese. Entlang von Rhein und Ruhr sind neun der 30 Konzerne des Deutschen Aktien-Indexes zuhause, die Wirtschaftsleistung pro Kopf ist immerhin die vierthöchste unter den Flächenländern. Dennoch befinden sich unter den 20 deutschen Städten mit der höchsten Verschuldung allein 15 aus Nordrhein-Westfalen. Überhaupt sind weniger als ein Dutzend der 400 Kommunen Nordrhein-Westfalens schuldenfrei.
Wenn die Ausgaben die Einnahmen überholen
Die größte Last entfällt auf den Sozialbereich. Mehr als 50 Milliarden Euro müssen die Kommunen zusammen in diesem Jahr für Soziales aufbringen. Konkret: Der Anstieg der Sozialabgaben war 2014 höher als der Anstieg der Steuereinnahmen.
Kein Geld mehr für Investitionen
60 Prozent aller öffentlichen Investitionen in Deutschland werden von Städten und Kommunen bezahlt. Doch immer weniger Geld bleibt dafür zur Verfügung. Noch in der 70er Jahren lag der durchschnittliche Investitionsanteil der Städte und Gemeinden bei 30 Prozent des Gesamt-Jahresetats. Inzwischen liegt die Investitionsquote nur noch bei zehn Prozent.
Kredite, um Ausgaben-Verpflichtungen einzuhalten
In der Not greift der Stadtkämmerer zum letzten Mittel: ein Bankdarlehen muss her, um die Ausgaben, zu denen die Kommunen verpflichtet sind, sicher zu stellen. Immer häufiger werden sogenannte Kassenkredite aufgenommen, die sich inzwischen auf stolze 50 Milliarden Euro addieren. Zum Vergleich: vor zehn Jahren waren es "nur" 20 Milliarden Euro, die sich die Kommunen bei den Banken leihen mussten. Das war schon damals eine alarmierende Nachricht.
Städtische Zweiklassen-Gesellschaft
Quasi im Dunstkreis Frankfurts entwickeln sich Offenbach und Eschborn finanziell seit langem schon diametral auseinander. Südlich des Mains kämpft Offenbach nach dem Wegfall seiner alten Industrien (Chemie, Metall, Leder) ums kommunale Überleben. Jeder Achte ist hier arbeitslos. Die Perspektiven, es aus eigener Kraft zu schaffen, waren schlecht, längst ist Offenbach unter den kommunalen Rettungsschirm des Landes Hessen geschlüpft. Seitdem sind die höchsten Einnahmen die, die das Land überweist. Ganz anders Eschborn im Nordwesten vor den Toren Frankfurts gelegen. Die 20.000-Einwohnerstadt sitzt auf Rücklagen von rund 300.000 Euro. Hier haben sich die Deutsche Bank, die Telekom und Vodafone mit großen Firmenkomplexen niedergelassen. Zu niedrigen Gewerbesteuerbedingungen, aber zum Segen von Eschborn.