Artikel 116: Der Kampf um die Staatsbürgerschaft
Die Nachfahren von Juden, die aus Deutschland flohen und denen die Nationalsozialisten die deutsche Staatsbürgerschaft abnahmen, können grundsätzlich die Einbürgerung bekommen. Doch einfach ist das nicht.
Stephan Feuchtwang
Stephan Feuchtwang mit seiner Mutter 1938 kurz vor der Flucht aus Deutschland nach Großbritannien. Wegen des Brexits bewarb er sich um die deutsche Staatsbürgerschaft nach Artikel 116. Das Bundesverwaltungsamt lehnte ab, weil sein Vater Österreicher war, die Herkunft seiner Mutter spielte dafür keine Rolle. 2019 stellte er erneut einen Antrag und wartet seitdem auf Antwort.
Paul Pagel
Staatsbegräbnis von Paul Pagel, Innenminister (CDU) in den 50er Jahren in Deutschland. Seine britische Enkelin Vivien Eliades bekam 2018 die Ablehnung, weil ihr Vater, Pagels Sohn, Deutschland 1936 freiwillig nach Großbritannien verlassen habe. Seiner Flucht vorausgegangen war ein Angriff der SS-Jugend, der Eliades Vater sein Leben lang mit einer beschädigten Niere zurückließ.
Georg Marx
Erinnerungen der Familie Marx aus Großenlinden in Hessen. Georg Marx ging 1937 mit 21 Jahren nach Brasilien, weil er als Jude in Deutschland nicht mehr studieren durfte. Seine Enkelin Marcella Marx kämpft nun um die deutsche Staatsbürgerschaft. Einmal wurde sie bereits abgelehnt, weil ihr Großvater Deutschland freiwillig verließ. Ihr zweiter Antrag liegt dem Bundesverwaltungsamt seit 2017 vor.
Alice Berwin
Der Reisepass von Alice Berwin, die 1935 Deutschland verließ. In Großbritannien heiratete die Jüdin einen Briten. Ihr Enkel Chris Nott stellte einen Antrag auf Einbürgerung über Artikel 116, obwohl die deutsche Botschaft in London ihm davon abgeraten hatte: Nach Artikel 116 wird oft nur die Abstammung väterlicherseits anerkannt. Nott wartet noch auf eine Rückmeldung des Bundesverwaltungsamtes.
Annemarie Elkan
Als Jüdin sah sich Annemarie Elkan 1938 zur Auswanderung gezwungen. In Großbritannien heiratete sie einen Briten. Ihr Sohn John Yarnold bekam die deutsche Staatsbürgerschaft nicht, weil sein Vater Brite war. Er stellte er einen neuen Antrag. Seine geforderten Deutschkenntnisse dürften ausreichen, da seine Frau Deutsche ist. Trotzdem hofft Yarnold auf eine Gesetzesänderung in Deutschland.
Ruth Hansen
Ruth Hausen (Mitte) mit zehn Jahren in Berlin kurz vor ihrer Flucht nach Schanghai 1939. Ihre Familie verlor in Berlin Haus, Kanzlei und Besitz. Ihre Tochter Jeannette Kortz lebt heute in San Francisco. Laut Artikel 116 ist sie nicht berechtigt, weil ihre Mutter die Holocaust-Überlebende und sie selbst vor 1953 geboren wurden. "Auf mich wirkte das Ganze antisemitisch und frauenfeindlich."
Irmgard Kutscher
Irmgard Kutscher, heiratete 1939 in Deutschland einen Peruaner. 1941 wurde ihr ältester Sohn von den Nazis getötet, weil er "mischrassig" war. 1942 mussten sie Deutschland verlassen. Ihr zweiter Sohn, selbst noch in Deutschland geboren, beantragte die Staatsbürgerschaft, wurde aber abgelehnt, weil seine Mutter mit der Hochzeit eines Ausländers 1939 freiwillig ihren deutschen Pass abgegeben habe.