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Asiens Meister im Wasser-Recycling

Roxana Isabel Duerr25. Juni 2013

Singapur, die Wirtschaftsdrehscheibe Asiens, hat ein Problem: Dem Stadtstaat fehlt eine sichere Wasserversorgung. Die Lösung kommt aus der Kläranlage: Recyceltes Abwasser soll bald die Hälfte des Wasserbedarfs decken.

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Foto: Zwei Plastikflaschen mit aufbereitetem Foto: (Foto: DW/Roxana Isabel Duerr)
NEWater Flaschen, SingapurBild: DW / Roxana Isabel Duerr

Singapur ist ein Stadtstaat der Superlative: Das Banken-Mekka, auch die „Schweiz Asiens“ genannt, hat die höchste Millionärsdichte der Welt, die wirtschaftliche Stimmung ist großartig, Investitionen fließen. Das Land besitzt das beste Gesundheits- und Bildungssystem in der Region und nicht zuletzt profitiert es von seinem Ruf, eine der saubersten und sichersten Städte der Welt zu sein. Das spiegelt sich auch in der Architektur Singapurs wider: Die Gebäude wachsen hier schneller, höher, moderner und luxuriöser in den Himmel.

Foto: Skyline in Singapur bei Nach (Foto: DW/Roxana Isabel Duerr)
Singapur, boomende Wirtschaftsdrehscheibe Asiens. Nur eine grundlegende Ressource ist rar: Wasser.Bild: DW / Roxana Isabel Duerr

Doch dem reichen Land fehlt eine scheinbar selbstverständliche Quelle: Wasser. Singapur muss täglich viele Millionen Liter Frischwasser über Pipelines aus dem benachbarten Malaysia importieren. Das ist so viel, dass die Welternährungsorganisation das Land sogar als „wasserarm“ qualifiziert. Eigene Frischwasserreserven hat Singapur nämlich nicht. Der Inselstaat braucht also dringend Alternativen.

Unterschiedliche Wasserquellen als Notwendigkeit

Neben Importwasser, das rund 30 Prozent der Gesamtversorgung ausmacht, bezieht Singapur das kostbare “blaue Gold” aus drei weiteren Quellen. Regenwasser ist eine davon. Jährlich fällt im Tropenstaat 2,4 Meter Niederschlag – der weltweite Durchschnitt liegt bei knapp einem Meter. Insgesamt sichern 17 Speicherseen weitere 30 Prozent der Wasserversorgung Singapurs. Mehr Stauseen zu graben würde das Land, das gerade einmal so groß ist wie die deutsche Stadt Hamburg, vor ein Platzproblem stellen.

Foto: Ein Becken mit Wasser (Foto: DW/Roxana Isabel Duerr).
Die erste von vier NEWater Aufbereitungsanlagen wurde im Jahr 2002 in Betrieb genommen.Bild: DW / Roxana Isabel Duerr

„In größeren Ländern sichern Seen und Flüsse die Frischwasserversorgung, dort gibt es auch genug Platz, um Wasser zu sammeln und zu lagern. Durch seine knapp bemessene Fläche kommt Singapur nicht in den Genuss dieser Vorteile“, betont George Madhavan, vom Public Utility Boards (PUB), der staatlichen Behörde für Wasserwirtschaft und Umweltschutz. Also müssen andere Lösungen gefunden werden. Entsalzung von Meerwasser ist eine weitere Quelle, die aufgrund hoher Kosten allerdings nur 10 Prozent der Gesamt-Wasserversorgung ausmacht. Im Jahr 2003 führte Singapur deshalb eine wesentlich kostengünstigere und energieeffizientere Alternative ein: Hochwertig aufbereitetes Abwasser mit dem vielversprechenden Namen „NEWater“.

Aus Abwasser wird „NEWater“

Recycling von Abwasser ist dabei keineswegs neu: Israel, Spanien, Skandinavien und die USA sind bekannte Vorreiter. Das "NEWater" Singapurs steht im internationalen Vergleich jedoch gut da: Bereits jetzt deckt es etwa ein Drittel des landesweiten Wasserbedarfs ab und soll bis 2060 sogar mehr als die Hälfte der Gesamtversorgung sichern.

Die vier nationalen Wasseraufbereitungsanlagen produzieren täglich 430 Millionen Liter „NEWater“. Das recycelte Klärwasser wird hauptsächlich in der industriellen Produktion und zu Kühlungszwecken eingesetzt. Ein kleiner Teil wird auch wird mit dem nährstoffhaltigen Wasser aus dem Regenreservoir vermischt, nochmals aufbereitet und in Flaschen abgefüllt. Die Trinkwasser-Flaschen stehen nicht zum Verkauf und das ist laut Umweltministerium auch in Zukunft nicht geplant. Sie werden stattdessen bei Großveranstaltungen verteilt. Das soll dabei helfen, das Wasserprojekt bekannt zu machen. Generell wird viel über NEWater aufgeklärt: Es gibt ein eigenes Besucherzentrum und jeden Tag mehrere Führungen.

Etwa fünf Prozent „NEWater“ ist auch im normalen Leitungswasser enthalten, denn gerade in den Trockenmonaten schwinden die Reserven in den Regenreservoirs schnell und müssen daher mit aufbereitetem Grauwasser nachgefüllt werden. „Durch NEWater sind wir weniger abhängig vom Wetter - dieses ultra-saubere hochgradige Recycling-Wasser ist eine Erfolgsgeschichte für Singapur und ein Grundpfeiler unserer nachhaltigen Wasserwirtschaft“, so Madhavan.

Die Technologie ist etabliert: Das gebrauchte, verunreinigte Wasser wird mittels Filtersystemen, der Umkehrosmose, bei der durch starken Druck über eine Membran Wasser- und Schmutzteile voneinander getrennt werden, und durch UV-Strahlen „desinfiziert“, da sie Bakterien abtöten. Zurück bleibt Trinkwasser, das sogar die Standards der Weltgesundheitsorganisation übererfüllt.

Für den kleinen Staat an der Südspitze der malaiischen Halbinsel ist eine eigene Wasserversorgung nicht nur ökonomische Notwendigkeit, sondern vor allem auch eine strategische Priorität. Im Jahr 2061 läuft der hundertjährige Wasser-Vertrag mit dem Nachbar Malaysia aus und spätestens bis dahin möchte Singapur mittels NEWater über eine eigenständige Wasserversorgung verfügen.

Ein vielseitiges Zukunftsmodell

Die Erfahrungen aus Singapur sind auch ein Vorbild für den gesamten Asien-Pazifik-Raum. Auch Australien treibt seit einigen Jahren Abwasser-Recycling voran, wenn auch aus teils anderen Gründen: „Eine beständige Wasserversorgung ist notwendig, um gegen die Unwägbarkeiten unseres zyklischen Klimas zwischen Flut und Trockenzeit gerüstet zu sein – und eine einzige Wasserquelle kann die Versorgungssicherheit nicht mehr garantieren“, erklärt Marc O'Donohue, Leiter des Australian Water Recycling Center of Excellence, dem staatlichen Forschungsinstitut mit Sitz in Brisbane.

Eine weitere Herausforderung, der sich Vorreiter-Staaten wie Singapur und Australien stellen müssen, ist die allgemein noch geringe Akzeptanz von aufbereitetem Abwasser als Trinkwasserquelle. Deshalb müsse, so O'Donohue, das öffentliche Vertrauen zuerst auch gestärkt werden.

Foto: Zwei junge Frauen stehen an einem flachen Wasserbecken (Foto: PUB)
Aufklärungsarbeit für die Öffentlichkeit: Das NEWater Besucherzentrum zeigt, wie aus Abwasser sauberes Trinkwasser entsteht.Bild: PUB

Die Vorteile lägen auf der Hand: „Die Wasserqualität kann im Aufbereitungsprozess für den Verwendungszweck flexibel angepasst werden, je nachdem ob es für die Landwirtschaft, als Trinkwasser oder für die High-Tech-Produktion verwendet wird“. Dieses Skalieren sei bei der Entsalzung beispielsweise nicht möglich. Aufgrund zahlreicher Nährstoffe und Energieträger wie Kohlenstoff ist Abwasser zudem eine wertvolle und vielseitige Ressource.

Kartik Chandran, Umweltingenieur und Professor an der Columbia Universität in New York, sieht noch weitere Pluspunkte des Wasser-Recyclings: „Abgesehen davon, dass der Gesamt-Wasserverbrauch sinkt, besteht der größte Mehrwert des Abwassers darin, dass es lokal verfügbar ist." Das ist besonders für abgelegene Gemeinden von Vorteil. Dort, wo Düngemittel für die Bewohner zu teuer oder schlicht nicht verfügbar ist, kann durch gezieltes Nährstoff-Recycling des Abwassers so die Ernährungssicherheit verbessert werden. In Industrienationen kann aufbereitetes Grauwasser zudem auch als Quelle für chemische und hydraulische Energie genutzt werden.

Abwasser-Recycling als variantenreiches Modell für die Zukunft also – und das nicht nur für Millionenstädte wie Singapur.