Atomgespräche Iran
21. Juni 2012Die russische Iran-Expertin Elena Doayewa hält die jüngste Runde der Verhandlungen zwischen Teheran und den Fünf-plus-eins Ländern (die UN-Vetomächte und Deutschland) keineswegs für einen Misserfolg. Aus russischer Perspektive sei das Moskauer Treffen sogar ein "großer Erfolg" gewesen.
Elena Doayewa sagt gegenüber DW.DE: "Russland hat sein Ziel erreicht. Die Verhandlungen werden fortgesetzt. Beide Seiten werden in Arbeitsgruppen über technische Details verhandeln. Wichtig ist: Der Westen spricht nicht mehr vom Stopp der Urananreicherung, sondern vom Umfang der Urananreicherung." In den einschlägigen UN-Resolutionen wird die Einstellung der Uran-Einreicherung verlangt.
Doayewa fügte hinzu, dass Russland zwar gute Beziehungen zum Iran pflege, jedoch kein Interesse am Entstehen einer Atommacht an seinen südlichen Grenzen habe. Nicht zuletzt aus Furcht vor radioaktiver Verseuchung im Falle eines israelischen Militärschlags gegen iranische Atomanlagen.
Kompromisse notwendig
Auch der in Berlin lebenden Exil-Iraner Mehran Barati sieht Gründe für verhaltenen Optimismus. Einerseits bestehe kein Zweifel daran, dass Teheran das Ende der Handelssanktionen von EU und USA erreichen wolle. "Dem Iran ist klar, dass Kompromisse nötig sind, um hier zu einem Ergebnis zu kommen." Diese Kompromisse müssten allerdings auf dem Weg kleiner Schritte und des Gebens und Nehmens erreicht werden.
Dieser Lösungsweg in Etappen, zu dem auch die aktuellen "technischen Gespräche" gehören, sei der Weg, den Russland vorgeschlagen habe. "Dieser Vorschlag der Russen ist realistisch, aber ohne die USA nicht umsetzbar. Bis zur Präsidentschaftswahl in den USA darf der Iran kein größeres Entgegenkommen des Westens erwarten", so die Einschätzung Baratis.
Irans Bringschuld
Für Henning Riecke von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) hat allerdings der Iran jetzt die Bringschuld: "Der Iran hat das Vertrauen zur Beendigung dieser Krise verspielt und sollte nun zunächst vertrauensbildende Maßnahmen ergreifen und als Vertrauensbeweis die bestehenden Anlagen schließen." Die Sanktionen müssten in Kraft treten, auch wenn ihre Wirkung ungewiss sei: "Man sollte jetzt hart bleiben und dem Iran sagen, dass die Sanktionen zu beenden sind, wenn er bei der Urananreichung Entgegenkommen zeigt, aber so sieht es nicht aus."
Riecke betont, dass niemand dagegen sei, dass der Iran friedlich Atomenergie nutzt. „"Es geht um die Befähigung, die den Iran schnell in die Lage versetzt, Nuklearwaffen zu bauen. Der Abbau von Vorräten an angereichertem Uran wäre eine vertrauensbildende Maßnahme." Immerhin konstatiert Riecke: "Der Zeitdruck wächst und es zeichnet sich eine gewisse Bewegung ab."
Prestigefrage
Zum besseren Verständnis der iranischen Haltung verweist Walter Posch von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik auf einen Aspekt, der vielleicht im Westen zu wenig beachtet wird. "Das iranische Ziel ist es, und das ist der Hauptsinn des Atomprogramms, zu zeigen, dass man eine Regionalmacht ist." Und eine Macht sei ein Staat, "mit dem man nicht alles machen kann. Für Teheran steht sehr viel Prestige dahinter", so der Iran-Kenner. Die internationale Gemeinschaft hingegen wolle Gewissheit, dass es sich bei Irans Atomprogramm um ein friedliches handelt.
Die Auflösung dieses Knotens wird weiterhin schwierig bleiben. Aber allein die Furcht vor der Eskalationsspirale wird verhindern, dass die Atomverhandlungen mit dem Iran als gescheitert erklärt werden.