Auch Deutschland steckt im Klimawandel
25. November 2015Schlechte Neuigkeit für den Planeten präsentierte Michel Jarraud, Generaldirektor der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) nur wenige Tage vor Beginn der Weltklima-Konferenz in Paris.
"Die Durchschnittstemperatur liegt in diesem Jahr wohl erstmals ein Grad höher als zu Beginn der Industriellen Revolution Ende des 19.Jahrhunderts", sagte Jarraud in Genf. In der Atmosphäre wurde ein neuer Rekord der Konzentration an Treibhausgasen gemessen. Außerdem sei der Zeitraum von 2011 bis 2015 die heißeste Fünfjahresphase seit Beginn der Messungen gewesen. Weltweit beobachteten Meteorologen extreme Wetter-Phänomene wie schwere Regenfälle in Teilen Südamerikas, in Nordafrika und China. In China waren 75 Millionen Menschen von den Fluten betroffen.
Auch für Deutschland zeichnen Wetterexperten ein düsteres Szenario. Die zunehmend verheerende Hitze werde vor allem für ältere Menschen zur Belastung. In Frankreich starben im heißen Sommer 2003 15.000 Menschen. "Da rasen zwei Züge aufeinander zu", beschreibt Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienst die Auswirkungen von Klimawandel und demografischem Wandel mit einer zunehmend alternden Gesellschaft. .
Was Deutschland erwartet
Nach den Prognosen der Meteorologen wird es in Deutschland künftig mehr heiße Tage geben, mit 30 Grad oder mehr. "Da stößt eine belastende Situation auf eine Bevölkerung, die das nicht mehr so abkann", sagt Becker. Als hochbelastend bezeichnete er die 40,3 Grad, die in diesem Sommer im bayerischen Bad Kitzingen gemessen wurden.
Der Klimawandel wird Deutschland treffen. Auf welche Weise zeigt eine 690 Seiten umfassende Studie im Auftrag der Bundesregierung, an der der Deutsche Wetterdienst (DWD) maßgeblich beteiligt war und die das Umweltbundesamt in Berlin vorstellte. Darin appellieren die Experten, die Klimaerwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen.
Denn die Auswirkungen werden bis in die existenziellen Bereiche des Lebens reichen: Sie gefährden die Gesundheit der Menschen, ihre Beweglichkeit, ihr Hab und Gut und ihre Infrastruktur. "Das Gesundheitssystem wird sich ändern müssen", sagt Paul Becker vom DWD.
Auf die Umwelt hat der Klimawandel ebenfalls massive Auswirkungen. Invasive, gebietsfremde Arten können sich neu etablieren oder ausbreiten, wie toxische Blaualgen in Seen, Schädlinge oder Überträger von Krankheitserregern wie Mücken, Zecken oder Nager.
Gerade auch spezielle Lebensräume in Deutschland sind bedroht - das Wattenmeer und das Hochgebirge. "Man kann damit rechnen, dass sich ganze Biodiversitäten verändern werden", sagt Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamts (UBA). Die Warm-Klima-Gebiete in den Ballungsgebieten im Westen und im südlichen Teil der neuen Bundesländer werden größer werden. Wo immer mehr und besonders viele alte Menschen leben werden, sind Hitzewellen besonders gefährlich. Berlin und München, das Rhein-Ruhr- und Rhein-Main-Gebiet wären demnach stark betroffen.
Laut Prognosen wird es nicht nur heißer, sondern auch trockener in Deutschland. Zugleich werden voraussichtlich auch extremer Regen und Überflutungen zunehmen. Besonders schlimm treffen dürfte es Hamburg, Bremen und auch wieder das Rhein-Ruhr-Gebiet. Straßen und Schienen, Gebäude und Brücken seien gefährdet.
Immerhin: Einige Folgen für Industrie und Gewerbe seien beherrschbar, auch im Tourismus, sagt Krautzberger. "Mit Ausnahme des Wintersports, da wird es in der Tat schwierig."
Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel
Deutschland müsse den Klimawandel schon jetzt berücksichtigen, fordert Rita Schwarzelühr-Sutter, parlamentarische Staatssekretärin im Umweltministerium. Änderungen in der Infrastruktur wie hellere Straßenbeläge und mehr Grünanlagen könnten Städte kühler machen. Präventive Bauplanung könne Überschwemmungen vorbeugen.
Anfang kommenden Jahres will die Bundesregierung mit dem Fortschrittsbericht zur sogenannten Deutschen Anpassungsstrategie gegenüber dem Klimawandel ein umfassendes Maßnahmenpaket vorlegen.
Wichtig wäre es auch, Maßnahmen zu ergreifen, die die gobale Erwärmung aufhalten. "Der Ausstoß von Treibhausgasen, die das Klima verändern, kann kontrolliert werden", betont WMO-Chef Michel Jarraud in Genf. "Wir haben das Wissen und die Instrumente." Der Wille hat bisher gefehlt.