Auch Österreich denkt an Grenzkontrollen
14. September 2015Österreichs Außenminister Sebastian Kurz hat sich mit Nachdruck dafür ausgesprochen, sich in der Flüchtlingskrise an Deutschland zu orientieren und ebenfalls Grenzkontrollen einführen. "Sonst droht die totale Überforderung unseres Landes in nur wenigen Tagen", sagte Kurz im österreichischen Fernsehsender ORF.
"Ansturm nicht zu bewältigen"
Wegen der Grenzkontrollen Deutschlands werden laut Kurz sich nun binnen kürzester Zeit Zehntausende Flüchtlinge in Österreich aufhalten, statt wie bisher nur durchzureisen. Alleine am Sonntag seien laut Polizeiangaben 15.000 Menschen im Grenzort Nickelsdorf nahe der ungarischen Grenze angekommen, sagte der Politiker der konservativen Volkspartei ÖVP. 5000 weitere Flüchtlinge würden noch erwartet. Diesen Ansturm könne Österreich alleine nicht bewältigen, so Kurz.
Das Aussetzen des Bahnverkehrs von Österreich nach Deutschland kommentierte der Außenminister als Ankunft in der "europäischen Steinzeit". Züge aus Österreich durften auf Anweisung der deutschen Regierung bis Montagmorgen die Grenze nicht passieren. In Salzburg sitzen deshalb hunderte Flüchtlinge fest.
Faymann bei Merkel
Der österreichische Regierungschef Werner Faymann wird am Dienstag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin zusammentreffen, um das weitere Vorgehen in der Flüchtlingskrise zu besprechen. Das teilte der Sozialdemokrat in Wien mit und forderte zugleich, dass die Grenzkontrollen Deutschlands "nicht auf dem Rücken von Asylbewerbern ausgetragen und humanitär ausgeführt werden".
Um die Versorgung der Flüchtlinge in Österreich weiterhin gewährleisten zu können, sei eine enge Kooperation mit Deutschland wichtig, sagte Faymann. Zuvor hatte sich der Bundeskanzler gegen verstärkte Kontrollen an der Grenze zu Ungarn ausgesprochen. Die derzeitigen stichprobenartigen Überprüfungen sollten fortgeführt werden.
Ungarn riegelt sich ab
Ungarn hat derweil die Polizei in den Grenzregionen zu Serbien und zu Rumänien in Alarmbereitschaft versetzt. Dies sei eine Reaktion auf die Einführung von Grenzkontrollen durch Deutschland, teilte die Polizei ohne nähere Erläuterung auf ihrer Homepage mit.
Das private ungarische Nachrichtenportal index.hu schrieb unter Berufung auf ungenannte offizielle Quellen, Hintergrund seien Befürchtungen, an diesem Montag könnten besonders viele Flüchtlinge in Serbien versuchen, über die Grenze zu gelangen. Von Dienstag an ist illegaler Grenzübertritt in Ungarn eine Straftat, die mit Haft oder Abschiebung geahndet wird. Außerdem will Ungarn den Grenzzaun zu Serbien in den nächsten Tagen fertigstellen.
Ein Ende der Flüchtlingskrise ist weiterhin nicht in Sicht. Auf der sogenannten Balkanroute bewegen sich Tausende Menschen, meist Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien, in Richtung Norden, um in die EU zu gelangen.
wl /fab (dpa, afp,rtr)